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Antwortbriefe von Abgeordneten: Blindes Vertrauen in WHO und IGV

Am 1. Juni 2024 hat die 77. Versammlung der Weltgesundheitsversammlung (WHA) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV, engl. IHR) angenommen. Ein ebenfalls vorgesehener Pandemievertrag gelangte aufgrund von Unstimmigkeiten unter den Mitgliedstaaten nicht zur Abstimmung, soll aber spätestens binnen Jahresfrist folgen.
Angesichts der zu befürchtenden Machtverschiebung hin zur WHO und deren Generaldirektor zu allen Fragen rund um Pandemien und die öffentliche Gesundheitsversorgung hatten die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) zu einer Briefaktion aufgerufen. Eine besondere Dringlichkeit ergibt sich aus dem Automatismus, wonach die IGV automatisch in Kraft treten und völkerrechtlich verpflichtend werden, wenn Deutschland nicht innerhalb von zehn Monaten widerspricht.
Einer Ratifizierung durch den Bundestag, wie dies beim geplanten Pandemievertrag der Fall wäre und wovon viele Abgeordnete auch für die IGV ausgehen, bedarf es dazu nicht. Dies bestätigte jüngst der BSW-Abgeordnete Andrej Hunko, der für den Europarat als Beobachter bei der WHA war.1 Das Argument zahlreicher Abgeordneter, dass die deutsche Souveränität durch die IGV nicht tangiert werde, trifft insofern nicht zu.
Dem steht nicht entgegen, dass die IGV anschließend ein nationales Zustimmungsgesetz benötigen, um in nationales Recht umgesetzt werden zu können. So hat der Bundestag, weit vor der Annahme der bis zuletzt immer wieder geänderten IGV, durch mehrere Beschlüsse (DS 20/6712, DS 111/96) „bereits vorauseilend eine Mehrheit für die bedingungslose Unterstützung aller WHO-Vorhaben“2 zustande gebracht, stellt die Juristin Laura Kölsch fest. Auch die Einrichtung des „Global Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence“3 in Berlin spricht dafür, dass die deutsche Politik künftig eher konform mit Vorgaben der WHO gehen wird.
Zwar kann der WHO-Generaldirektor nur unverbindliche und befristete Empfehlungen aussprechen (Art. 12, 15 IGV) – auf der Liste möglicher Empfehlungen finden sich u. a. Impfungen, Impfnachweise und ärztliche Untersuchungen (Art. 18 IGV) – und die Umsetzung wird im Ermessen der Mitgliedsstaaten liegen. Die Erfahrungen mit WHO-Empfehlungen aus der Corona-Pandemie haben jedoch gezeigt, „dass die nicht bindenden Empfehlungen als Steuerungselement völlig ausgereicht haben, um die Konformität der meisten Staaten mit den Pandemie-Maßnahmen sicherzustellen, und sie auch dazu veranlasst haben, ihre eigenen verfassungsrechtlichen Grenzen zu überschreiten“, so Laura Kölsch.4
Werden die IGV völkerrechtlich bindend, verpflichten sie die Mitgliedsstaaten, bestimmte Kernkompetenzen zu entwickeln, zu stärken und für den Fall eines Gesundheitsnotstandes aufrechtzuerhalten (Anhang 1 A, Art. 13 Abs. 1 IGV). Dies betrifft v. a. präventive Überwachung und Berichterstattung, Pandemie-Bereitschaft und -Reaktion, Zusammenarbeit mit anderen Vertragsstaaten und die sog. Risikokommunikation.
Die Änderungen der IGV, über die seit mehreren Jahren verhandelt wurde, kamen unter nebulösen Umständen zustande, was die Veröffentlichung der verschiedenen Versionen, die Abstimmung in der WHA sowie ihr Inkrafttreten betrifft. Am 1. Oktober 2024 gab die WHO bekannt, dass ihr Generaldirektor am 19. September den Mitgliedsstaaten Mitteilung gemacht habe. Damit läuft seither für Deutschland folgende Frist: Bis zum 19. Juli 2025 kann die Bundesregierung per Opt-Out ihren Widerspruch erklären und damit eine öffentliche Debatte ermöglichen. Ohne Widerspruch treten die neuen IGV automatisch am 19. September 2025 in Kraft und gelten dann eben auch für Deutschland.5
Briefe an Abgeordnete und die Mitglieder des Gesundheitsausschusses
Adressaten der Briefaktion waren alle Bundestagsabgeordneten, denen Bürgerinnen und Bürger ihre Bedenken mitteilen sollten. Dazu hatte ÄFI auf seiner Webseite einen Musterbrief zum Download angeboten, der individuell ergänzt werden konnte. ÄFI selbst hatte die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundestages angeschrieben und um ihre Einschätzung zur Sache gebeten.
Bis zum heutigen Tag haben Teilnehmer der Briefaktion insgesamt 128 Antwortbriefe von Abgeordneten an uns weitergeleitet, die wir inhaltlich ausgewertet haben. Diese Rückmeldungen von Abgeordneten sind aufgrund ihrer bloßen Anzahl nicht repräsentativ.
Trotzdem geben die Antwortbriefe ein aussagekräftiges Stimmungsbild unserer Parlamentarier wieder, wie wir im Folgenden erläutern. Da hierbei die Haltung des Bundestages insgesamt bzw. der einzelnen Fraktionen interessiert, verzichten wir auf die Nennung des bzw. der jeweiligen Abgeordneten. Für die Analyse orientieren wir uns an den wesentlichen Argumenten unseres Musterbriefes.
Neu: Der pandemische Notfall
Im Musterbrief hieß es zu dem neu eingeführten Begriff „pandemischer Notfall“, dass der WHO-Generaldirektor diesen künftig schon bei einem bloßen Verdacht bzw. einer Risikoeinschätzung wird ausrufen können. Grundsätzlich könne somit auch eine Grippewelle zum Anlass für freiheitseinschränkende Maßnahmen genommen werden.
Artikel 1 IGV bestimmt den „pandemischen Notfall“ als einen „Notstand der öffentlichen Gesundheit von internationalem Interesse, der durch eine übertragbare Krankheit verursacht wird“ (eigene Übersetzung, hier und im Folgenden). Für die weiteren Kriterien der geografischen Ausbreitung, der Überlastung der Gesundheitssysteme sowie der sozialen und wirtschaftlichen Störungen einschließlich des internationalen Verkehrs und Handels heißt es, dass diese entweder tatsächlich vorliegen oder aber ein hohes Risiko („high risk“) für ihr Eintreten besteht.
Der pandemische Notfall ist eine Steigerung des „public health emmergency of international concern“ (PHEIC). Auch er kann schon bei einem Risiko („risk“) für die öffentliche Gesundheit anderer Staaten aufgrund einer sich ausbreitenden Krankheit ausgerufen werden, die möglicherweise („potentially“) eine koordinierte internationale Reaktion erfordert.
Aufgrund dieser vagen Definitionen kann der Generaldirektor schon bei einem Verdacht oder einer Risikoeinschätzung einen Gesundheitsnotstand ausrufen. Zwar soll er die betroffenen Staaten und den WHO-Notfallausschuss ebenso in seine Entscheidung einbeziehen wie wissenschaftliche Erkenntnisse (Art. 17 IGV), jedoch bleibt eine unabhängige Kontrolle seiner Entscheidung außen vor. Selbst die Mitglieder des Notfallausschusses wählt der Generaldirektor aus (Art. 48 IGV), bestimmt die Dauer ihrer Mitgliedschaft und hat das letzte Wort bei den Vorschlägen des Ausschusses (Art. 49 IGV).
Das Beispiel von Mpox („Affenpocken“) gibt einen Vorgeschmack darauf, wie willkürlich künftig die Ausrufung eines pandemischen Notfalls bzw. eines PHEIC erfolgen kann. Nach einem ersten Anlauf 20226 rückten die Mpox kurz nach Verabschiedung der IGV erneut ins Rampenlicht. Aufgrund einer überschaubaren Zahl von positiven Testergebnissen und Todesfällen in der Demokratischen Republik Kongo und ihren Nachbarländern erklärte der WHO-Generaldirektor Mpox zu einem PHEIC. Es folgte die Aufnahme von bis dato nicht zugelassenen Impfstoffen in die Notfalllistung. Bereits während der Corona-Pandemie war die „Emergency Use Listing“7 das wesentliche Instrument, um Impfstoffe vorzeitig und ohne die sonst üblichen Tests anwenden zu können. Nur einen Tag nach Ausrufung des PHEIC meldeten Schweden und die USA jeweils einen (!) ersten Fall.8
Doch bald darauf kam Gegenwind auf: Eine südafrikanische Studiengruppe widersprach den WHO-Angaben zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe und forderte Belege und weitere Studien ein.9 Selbst die U.S. Food and Drug Administration (FDA) warnte vor dem in den USA zugelassenen Mpox-Impfstoff.10 Trotz alledem und obwohl vieles gegen einen echten PHEIC spricht,11 hat die WHO nicht von ihren Bestrebungen abgelassen und jüngst eine Notfallzulassung für einen Mpox-PCR-Test erteilt.12
Was sagen die Parlamentarier zum Begriff des pandemischen Notfalls und der Entscheidungsgewalt des Generaldirektors?
Aus der SPD-Fraktion ist dazu Widersprüchliches zu vernehmen: Der Begriff diene als neue Warnstufe nur (!) als Ergänzung zu einem PHEIC, mit der die WHO internationale Maßnahmen einfordern (!) könne, um eine Pandemie zu verhindern, die Empfehlungen des Generaldirektors seien aber nicht (!) verpflichtend. Immer wieder wird betont, dass die nationale Souveränität unberührt bleibe. Ausgangssperren oder Impfungen könnten durch die WHO nicht verordnet werden, sondern nur durch den nationalen Gesetzgeber.
Ähnliches vonseiten der Union: Der Generaldirektor könne die Grundrechte nicht aushebeln. Es handele sich allenfalls um Empfehlungen, die, um Gültigkeit zu erlangen, von den Staaten in nationales Recht umgesetzt werden müssten.
Dabei hatte es im Musterbrief nirgends geheißen, dass der Generaldirektor Grundrechte der deutschen Verfassung außer Kraft setzen könne. Allerdings hat die COVID-19-Pandemie gezeigt, welche Wirkungen die Empfehlungen der WHO im Zusammenspiel mit anderen internationalen Institutionen (EU-Kommission, EMA, ECDC) auf die Regierung und diese wiederum auf das Parlament und andere nationale Institutionen entfalten können.
Insbesondere die Bund-Länder-Konferenz (bzw. Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler) hat sich hier hervorgetan, immerhin kein Verfassungsorgan und ohne gesetzgeberischen Auftrag.13 „Die wirklichen Akteure waren Regierung und Verwaltung, Bundeskanzlerin, Ministerpräsidenten und Landräte. Das Parlament hat im besten Fall zustimmend nachvollzogen, was die Exekutive beschlossen hatte. Das war nicht demokratisch“, bemängelte der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler.14
Erinnert sei auch an die chaotischen Haltungswechsel der WHO bezüglich der Anordnung von Quarantänen, Tests und Masken, die der evidenzbasierten Medizin zuwiderliefen. Stattdessen verließ man sich auf Modellierer mit Horrorprognosen, um etwa den frühen Einsatz invasiver Beatmung zu empfehlen.15,16 Bis heute propagiert die WHO die Verwendung von modRNA-Impfstoffen, die bislang nicht ausreichend auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen getestet wurden. Immer mehr Studien belegen ein breites Spektrum an gravierenden Nebenwirkungen17 und es gibt Hinweise auf eine Übersterblichkeit je nach Impfrate in der Bevölkerung.18,19,20
Weiterhin fehlt es auch an einer Evaluierung der Pandemie-Maßnahmen, die auf Empfehlung der WHO hierzulande verhängt wurden: Lockdowns, Masken, (PCR-)Tests, Schulschließungen, Abstandsregeln, Kontaktverbote, 2G-/3G-Regelungen, Reiseverbote, Impfstoffe und Impfpässe – nichts von alledem wurde, aufgrund politischer Initiative, systematisch auf Nutzen und Risiken untersucht.
Stattdessen wurde eine Impfpflicht für bestimmte Sektoren (Gesundheit, Pflege, Bundeswehr) beschlossen, vor deren Verfassungswidrigkeit ÄFI von Beginn an gewarnt hat21 und deren erneute Überprüfung aufgrund der RKI-Files durch das Bundesverfassungsgericht ansteht.22 Eine allgemeine Impfpflicht scheiterte im Bundestag im Frühjahr 2022 letzten Endes nur an parteitaktischen Überlegungen und der Unionsforderung für ein Impfregister.23,24
Was aber, wenn in Zukunft aufgrund eines ausgerufenen pandemischen Notfalls der internationale Druck auf Deutschland erneut so groß werden könnte, dass man keinen eigenen Weg einschlagen kann? Wenn etwa die WHO Zielvorgaben zur Elimination bzw. Eradikation bestimmter Krankheitserreger macht? Oder auf die Einhaltung von Zeitvorgaben aufgrund einer unterstellten Ausbreitungsgeschwindigkeit pocht? Was ist bei der Einhaltung definierter Impfquoten, und sei es nur aus Kostengründen, weil z. B. auf EU-Ebene zu viel Impfstoff für Milliardenbeträge beschafft wurde, der irgendwann zu verfallen droht? Könnte Deutschland in einem solchen Fall „Nein“ sagen?
Erinnert sei an die Einlassung von Hajo Zeeb, dem Ex-Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie und inzwischen Ko-Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Public Health. Er merkte zur (mittlerweile erwiesen politisch motivierten)25 Hochstufung der Corona-Risikobewertung durch die RKI-Führung Mitte März 2020 an, dass Deutschland damals aus der internationalen Phalanx nicht habe ausscheren können. "Das sind internationale Abstimmungen, oft auf Weltbevölkerungsniveau wie bei der WHO. Und da kann ein Land wie Deutschland nicht plötzlich sagen: Nein, wir finden das aber alles anders", so Zeeb im März 2024.26
Hinzukommt die Verpflichtung der WHO-Mitgliedsstaaten, künftig IGV-Behörden („National IHR Authority“, „National IHR Focal Point“) auf nationaler Ebene einzurichten (Art. 1 u. 4 IGV). Diese sollen die Umsetzung der IGV koordinieren bzw. für IHR-Kontaktstellen der WHO ständig erreichbar sein.
Die WHO will Kontrolle über Informationen
Ein wesentlicher Punkt der IGV ist das Thema Risikokommunikation. In unserem Musterbrief hatten wir erklärt, dass die Teilnehmerstaaten auf Informationskontrolle verpflichtet werden. Informationen, die der WHO-Linie widersprechen, sollen künftig als Desinformation eingestuft und unterdrückt werden. An die Stelle evidenzbasierter Informationen soll das treten, was die WHO als wissenschaftliche Wahrheit zulässt.
An zwei Stellen (Anhang 1 A 2c und 3i IGV) bestimmen die IGV, dass die Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer sog. Kernkapazitäten sich auch dem Thema Risikokommunikation verschreiben. Dies schließt die Bekämpfung von Fehlinformation und Desinformation („misinformation and disinformation“) ein. Zwar werden diese Begriffe nicht weiter ausgeführt, aber sie lassen sich kaum anders auslegen als ein Aufruf zur Zensur unliebsamer Informationen, etwa zu Wirkungsweise oder Nebenwirkungen von Impfstoffen.
Überdies werden die Staaten verpflichtet, entsprechende Maßnahmen der Risikokommunikation als Kernkompetenz innerhalb von fünf Jahren umzusetzen (Art. 13 Abs. 1 IGV).
Dass damit ein Einfallstor geschaffen wird, um künftig den wissenschaftlichen Diskurs zu unterbinden und bestimmte Narrative zu verbreiten, liegt auf der Hand. Umgekehrt stünden viele der WHO-„Empfehlungen“ auf der Kippe. Erinnert sei an das Wort von Ex-RKI-Präsident Lothar Wieler, wonach die Corona-Regeln „überhaupt nie hinterfragt werden“ dürften.27 Die Aufdeckung der RKI-Krisenstabsprotokolle (RKI-Files) hat inzwischen gezeigt, dass zahlreiche der Maßnahmen selbst innerhalb von Wielers Institut auf Basis wissenschaftlicher Evidenz anders eingeschätzt wurden. Solche Informationen würden nicht mehr den Weg in die Öffentlichkeit finden.
Der Informationskontrolle dient auch der neue Pandemic Hub in Berlin. Weil unter dem Dach der WHO angesiedelt, die ihrerseits Immunität besitzt und über keine ihrer Aktivitäten Rechenschaft ablegen muss, könnte es in Zukunft unmöglich werden, Informationen über Pandemiemaßnahmen oder den Forschungsstand zu Impfstoffen per Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einzufordern, wie die Verwaltungsjuristin Silvia Behrendt befürchtet. Während der Schweinegrippe war sie als Rechtsberaterin der WHO tätig und hat über die IGV promoviert. Ein Vorgang wie die Aufdeckung der RKI-Files wird nach ihrer Einschätzung künftig nicht mehr möglich sein.28
Was sagen die Bundestagsabgeordneten zu diesem Thema? Mitglieder der SPD-Fraktion weisen darauf hin, dass im Internet „viele Desinformationen“ bezüglich der IGV kursierten. Diese sollten „bewusst zur Verunsicherung der Bevölkerung beitragen“, heißt es in zahlreichen Antworten. Was konkret unter Desinformation zu fassen sei und wer mit welchem Ziel verfolge, die Bevölkerung zu verunsichern, darüber schweigt man sich aus.
Mit Blick auf die Machtbefugnisse der WHO ist sich mancher aber sicher, „dass es keinerlei pauschalisierende bzw. ungerechtfertigte [!] Meinungseinschränkungen geben wird. Die als Informationskontrolle betitelte Prüfung verfolgt einzig und allein das Ziel, auf wissenschaftlich basierter Evidenz Unwahrheiten und Desinformationen schneller als [sic] zu identifizieren und im Interesse der Gesamtgesellschaft sachliche Fakten zur Verfügung zu stellen.“
Demnach sind, trotz Meinungsfreiheit, „gerechtfertigte“ Meinungseinschränkungen wohl denkbar. Dies hat die Corona-Pandemie z. B. dort gezeigt, wo zahlreiche maßnahmenkritischen Videos von den einschlägigen Plattformen verbannt wurden. Auch ein wissenschaftlicher Diskurs wäre demnach nicht mehr möglich, schließlich kann sich prinzipiell jedes Argument einer Diskussion innerhalb der Wissenschaftsgemeinde später einmal als widerlegt und somit „falsch“ erweisen. Wer über die Prüfung wachen soll, bleibt ebenso unklar.
Bei der Union klingt das ähnlich. Zur Risikokommunikation heißt es mehrfach: „Die Regelungen sind so gestaltet, dass sie die wissenschaftliche Basis der Informationen wahren und eine zensurähnliche Praxis vermeiden.“ Keine Rede von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten oder davon, wer eigentlich die wissenschaftliche Basis bestimmen solle. Dass Zensurmaßnahmen nur zu vermeiden seien, aber nicht etwa grundsätzlich zu unterbleiben haben, in manchen Fällen also gerechtfertigt sein sollen, spricht Bände.
Die WHO propagiert unausgereifte Impfstoffe mit neuen Technologien
Zum Thema Impfungen und Impfstoffe hieß es im Musterbrief, dass die Corona-Impfstoffe nicht ausgetestet wurden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen wie bis dato üblich bei der Entwicklung von Impfstoffen. Hingewiesen wurde auf den fehlenden Schutz vor eigener Erkrankung, der Übertragung auf andere oder gar Herdenimmunität sowie auf ein großes Sicherheitsrisiko: die Verunreinigung der Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna durch Bakterien-DNA und die Gefahren für das menschliche Erbgut und das vermehrte Auftreten von Krebserkrankungen.
Außerdem hatten wir darauf hingewiesen, dass die WHO solche Sicherheitsbedenken beiseiteschiebt. In Kooperation mit der Impfallianz CEPI ist geplant, künftig „Impfstoffe in 100 Tagen“29,30 von der Identifizierung des Krankheitserregers bis zur Auslieferung des Impfstoffs zur Regel machen zu wollen. In diesem Zusammenhang hatten wir die Drohung von WHO-Generaldirektor Tedros A. Ghebreyesus bei der WHA-Tagung angeführt: „Ich denke, es ist an der Zeit, aggressiver gegen die Impfgegner vorzugehen.“31
In den IGV liefert Artikel 1 die Grundlage für eine massenhafte Entwicklung, Bereitstellung und Anwendung der risikoreichen modRNA-Impfungen. Dort werden „einschlägige Gesundheitsprodukte“ („relevant health products“) gelistet, darunter „zell- und gentechnische Therapien“ („cell- and gene-based therapies“).
Das vielfach und gerade von der Politik immer wieder beschworene Argument der Herdenimmunität durch Impfung wurde schon frühzeitig widerlegt, spätestens mit der Einlassung der Pfizer-Managerin Janine Small vor dem EU-Parlament im Oktober 2022, wonach die COVID-19-Impfstoffe auf Fremdschutz nicht getestet worden seien.32 Sogar in den inzwischen öffentlich zugänglichen Verträgen der EU mit Pfizer/BioNTech heißt es zu Langzeitfolgen, Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe:
„Der teilnehmende Mitgliedstaat erkennt ferner an, dass die langfristigen Auswirkungen und die Wirksamkeit des Impfstoffs derzeit nicht bekannt sind und dass es unerwünschte Wirkungen des Impfstoffs geben kann, die derzeit nicht bekannt sind“ (Anhang I Art. 1 Abs 4 APA; eigene Übersetzung).33
Auch ÄFI hat zur Frage der Wirksamkeit der Corona-Impfungen bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht eine ausführliche Stellungnahme abgegeben.34 Im Musterbrief belegten wir die Aussagen zum Thema DNA-Verunreinigung mit Angabe der wissenschaftlichen Quellen. Mittlerweile wurden solche Verunreinigungen durch Untersuchungen in weiteren Ländern unabhängig voneinander bestätigt.35,36,37,38
Was sagen die deutschen Parlamentarier zu diesem wichtigen Thema? Abgeordnete von SPD und Union betonen, dass Impfstoffe stets auf Basis wissenschaftlicher Evidenz entwickelt und geprüft würden:
„In Deutschland existieren strenge Vorgaben für Sicherheit und Wirksamkeit, welche durch klinische Studien nach wissenschaftlichen Kriterien geprüft werden müssen, bevor eine Zulassung bspw. durch die Europäische Arzneimittelbehörde erfolgen darf. Erst bei bewiesener Effizienz dürfen die in Deutschland für die Krankheitsüberwachung zuständigen Behörden (Paul-Ehrlich-Institut/Robert-Koch-Institut) Handlungsempfehlungen aussprechen.“ Es folgt der Hinweis, „dass die benannten Institutionen ihrer Aufgabe sehr verantwortungsbewusst und sorgsam nachkommen“ (SPD-Abgeordneter).
„Die Bedenken hinsichtlich der Impfstoffsicherheit sind ernst zu nehmen. Die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen erfolgt jedoch nach strengen wissenschaftlichen Standards und unterliegt umfassenden Prüfungen“ (Unions-Abgeordneter).
Stimmen beider Fraktionen stellen beinahe wortgleich heraus: „[D]ie Frage einer Impfpflicht“ oder „grundrechtsrelevanter“ (SPD) bzw. „gesundheitsrelevanter“ (Union) „Maßnahmen ist dabei ausdrücklich nicht Teil der Debatte“ rund um die IGV.
Tatsächlich taucht der Begriff der Impfpflicht im Musterbrief gar nicht auf. Mit ihrer Einschätzung, dass Impfungen und ggf. auch Impfpflichten als Teil gesundheitlicher Maßnahmen während einer Pandemie keine Rolle spielen sollen, dürften die Parlamentarier ziemlich allein dastehen – wie nicht zuletzt das Zitat des WHO-Chefs zeigt. Dieses jedoch war keinem einzigen der antwortenden Abgeordneten eine Erwähnung wert. Ebenso wenig die Erkenntnisse, welche die RKI-Files bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit der modRNA-Impfstoffe zutage gefördert haben.39
Dazu fügen sich die Einlassungen zum Thema der DNA-verunreinigten COVID-19-Impfstoffe. Nur wenige Abgeordnete greifen das Thema überhaupt auf, dafür aber umso bestimmter:
„Übrigens ist die von Ihnen zitierten [sic] Studie zur angeblichen Verunreinigung der Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna durch Bakterien-DNA laut Paul-Ehrlich-Institut wissenschaftlich nicht haltbar. […] Laut [PEI] wurden die in der Zulassung festgelegten DNA-Höchstwerte nie überschritten“ (SPD-Abgeordneter).
„Die genannten Vorwürfe bzgl. Verunreinigungen sind nicht durch die zuständigen Gesundheitsbehörden bestätigt worden. Es ist wichtig, sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Bewertungen von Fachleuten zu stützen“ (Unions-Abgeordneter).
„Auch die vielfach verbreiteten Vorwürfe über Verunreinigungen und langfristige Risiken entbehren wissenschaftlicher Grundlage. Die WHO und andere Gesundheitsorganisationen überwachen ständig die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen und passen ihre Empfehlungen entsprechend neuen Daten an" (Abgeordneter Die Linke).
Es droht: Das Ende von informierter Einwilligung und Therapiefreiheit
Sollte die WHO künftig auf Basis der IGV einen PHEIC oder einen pandemischen Notfall erklären und Bundesregierung und Bundestag ihr folgen, ist der informed consent (die freiwillige Zustimmung auf Grundlage umfassender Information) in Gefahr. Da die WHO zudem festlegen kann, welche Medikamente, Impfstoffe und sonstigen Gesundheitsprodukte ständig vorzuhalten und im Notfall zu verwenden sind, wäre auch die Therapiefreiheit bedroht. Bereits in der Corona-Pandemie wurde der Einsatz von Medikamenten und Impfstoffen reglementiert. Im Musterbrief hatten wir auf diesen Mechanismus und damit den Verlust eines vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses hingewiesen.
Dieser Aspekt wurde nur in einer einzigen Antwort aufgegriffen, wobei man über die der WHO zugeschriebene Rolle nur staunen kann:
„Die WHO kann und wird nicht in die individuelle Entscheidungsfreiheit eingreifen. Informierte Einwilligung ist ein Grundpfeiler der medizinischen Ethik. Die WHO strebt lediglich an, durch klare Empfehlungen und den internationalen Austausch über wissenschaftliche Erkenntnisse und medizinische Neuerungen die Gesundheit der Weltbevölkerung zu fördern, ohne die persönliche Freiheit zu untergraben. Es bleibt auch Ihr persönliches Recht, medizinische Maßnahmen abzulehnen, selbst wenn das bedeutet, dass Sie leiden oder sterben müssen" (Die Linke).
Diese Einschätzung traf schon auf die Corona-Pandemie nicht zu: Zwar konnte man sich gegen eine Impfung entscheiden, lief dann jedoch Gefahr, aufgrund von Jobverlust oder gar Berufsverbot seine Existenz zu verlieren, wie es z. B. die einrichtungsbezogene Impfpflicht in drastischer Weise gezeigt hat.40
Den unterstellten wohltätigen Zielen der WHO steht auch entgegen, dass die WHO Investoren einen Return-on-Investment von mindestens 1:35 verspricht: Für jeden investierten Dollar sollen mindestens 35 Dollar zurückfließen.41 Die Verpflichtung zur Entwicklung, Vorhaltung und Anwendung „relevanter Gesundheitsprodukte“ erscheint vor diesem Hintergrund in einem vorrangig profitorientierten Licht.
Das bestätigen die Beobachtungen von Andrej Hunko (BSW):
„Ich war persönlich bei der Sitzung des Forums ‚Pandemic prevention, preparedness and response‘ bei der Weltgesundheitsversammlung zugegen. Dort saßen die Vertreter der Regierungen der Mitgliedsländer sowie die genannten ‚Stakeholder‘, also die Geldgeber der WHO, zusammen. Das Schlusswort der dreistündigen Veranstaltung hat ein Vertreter der öffentlich-privaten Partnerschaft ‚Gavi, die Impfallianz‘ gehalten. Das war schon sehr befremdlich. […] Die WHO ist gekapert, das ist ganz offensichtlich. Der besagte letzte Beitrag […] von Gavi zielte darauf ab, dass man sich schon vor der nächsten Pandemie prophylaktisch impfen lassen müsste.“42
Nur AfD und BSW lehnen die neuen Gesundheitsvorschriften ab
Prüft man die Antworten der Abgeordneten hinsichtlich von Aspekten, die nicht Thema unseres Musterbriefes waren, lässt sich zusammenfassend feststellen:
Mitglieder aus SPD- und Unions-Fraktionen begrüßen die IGV weitestgehend und sehen in ihnen ein völkerrechtliches Instrument, um künftigen Gesundheitsgefahren begegnen zu können. Hervorgehoben werden Empfehlungen der WHO über die Verfügbarkeit und Verteilung von Gesundheitsprodukten, Aufrechterhaltung von Lieferketten und Reisemöglichkeiten von Gesundheitspersonal. Auch der Präventionsansatz für Pandemien wird betont, ebenso die Möglichkeit für Einzelstaaten, bei der Untersuchung unklarer Krankheitsausbrüche Unterstützung durch die WHO zu erhalten.
Immer wieder wird auf den One-Health-Ansatz abgestellt, der die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt als eng voneinander abhängig definiert und auf ihren Ausgleich abzielt. Mit ihm können Zoonosen als wichtige Quellen zukünftiger Gesundheitsnotlagen erklärt werden. Dieser Ansatz wurde jedoch in letzter Sekunde aus den IGV gestrichen.43
Die FDP-Fraktionsmitglieder betonen die Rolle der IGV bei der Meldung von Krankheitsausbrüchen an die WHO. Die in den IGV eingeforderten Kernkapazitäten verstehen sie als entscheidend für ein internationales Agieren bei einem PHEIC.
Aus der Fraktion Die Linke wird bei allem Zuspruch für die WHO und die IGV die zunehmende Abhängigkeit der WHO von Spenden privater Personen, Unternehmen und Organisationen bemängelt. Länder des globalen Südens seien weiterhin benachteiligt in Gesundheitsfragen, reiche Länder müssten eine Finanzierung bereitstellen, die der WHO Unabhängigkeit von privaten Interessen ermögliche.
Aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird lediglich die Sorge vieler Menschen um den Verlust nationaler Souveränität aufgegriffen und abgewiegelt: Das Parlament müsse jeden Vertrag ratifizieren, bevor er hierzulande in Kraft trete (was, wie wir gesehen haben, auf die geänderten IGV nicht zutrifft). Zu den geäußerten medizinischen Problemen kein Wort.
Abgeordnete der AfD betonen, dass ihre Fraktion sowohl die IGV wie auch den noch auszuhandelnden Pandemievertrag ablehnt. Sie erteilen der Abtretung staatlicher Souveränität an die WHO eine Absage. Die Corona-Pandemie habe die Inkompetenz der WHO offenbart. Zudem sei die intransparente Finanzierung der WHO zu verurteilen, die auf Beeinflussung schließen lasse.
Auch die Mitglieder des BSW lehnen die IGV und den Pandemievertrag ab. Sie bemängeln die „Nacht- und Nebelaktion“, mit der die WHA die IGV verabschiedet habe, ebenso das WHO-„Grundnarrativ“, wonach die Welt vor einer neuen Pandemie stehe und diese nur durch die globale Herstellung von Impfstoffen zu bewältigen sei. Überdies will sich das Bündnis für einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zur Aufarbeitung der Corona-Pandemiepolitik einsetzen.
Antworten auf Fragen, die nicht gestellt wurden
Bei der Analyse der Antwortschreiben fällt auf, dass zahlreiche Briefe von SPD und CDU/CSU je nach Fraktion in weiten Teilen deckungsgleich, um nicht zu sagen identisch sind oder nur in wenigen Teilen variieren. Außerdem fallen sie mitunter sehr wortreich über mehrere Seiten aus, behandeln dabei aber andere und allgemeinere Fragen rund um die WHO und die Corona-Pandemie. Die Probleme, die unser Musterbrief angesprochen hat, werden oft nur beiläufig gestreift.
Offensichtlich wurden hier Textbausteine zur Abfassung von Standardbriefen verwendet. Mit diesem Verfahren will man offenbar unterschiedlichen Anfragen zum Thema IGV und Pandemievertrag pauschal begegnen. Es liegt der Schluss nahe, dass die Abgeordneten von zahlreichen Seiten und vielen Bürgern mit dem Thema konfrontiert werden.
Darauf deuten auch zahlreiche Passagen in den Briefen hin, in denen auf beide Vertragswerke Bezug genommen wird, obwohl der Musterbrief nur die IGV zum Thema hatte: „Sie sprechen die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und die Verhandlungen über einen künftigen internationalen Pandemievertrag bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an“ heißt es des Öfteren in Briefen von der SPD.
Immer wieder tauchen gleichartige Formulierungen auf wie „Viren machen nicht an Grenzen halt“ oder es ist von einer „Schnittmenge von Mensch- und Tiergesundheit“ die Rede. Auch gehen zahlreiche Abgeordnete von SPD und Union weiterhin davon aus, dass die Corona-Pandemie durch eine Zoonose ausgelöst wurde. Dabei gilt diese Erklärung, die auch von der WHO vertreten wird, längst als überholt. Als wahrscheinlich gilt hingegen ein Laborursprung (beabsichtigt oder durch einen Unfall) einer Biowaffen-Forschungseinrichtung (Gain-of-function-Forschung) in Wuhan.44,45,46 Neueste Untersuchungen gehen sogar davon aus, dass die Zoonose-Gefahr in Zukunft abnehmen wird.47
Bei der FDP nimmt man standardmäßig „die COVID-19-Pandemie, Ebola-Pandemien und das Auftreten von Affenpocken“ zum Anlass, die Notwendigkeit geänderter IGV zu rechtfertigen.
Ein FDP-Abgeordneter war so frei, an das Ende seines Briefes zwei Quellenangaben zu setzen, welche die Herkunft für so manche Formulierung offenbaren: das Bundesgesundheitsministerium.48,49 Damit jedoch setzen die Abgeordneten – wie schon bei den offiziellen Verlautbarungen von RKI und PEI während der Corona-Pandemie – auf das falsche Pferd, wie die RKI-Files belegen. Schließlich führte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) persönlich die Delegation an, die Deutschland bei der 77. WHA vertrat. Aus seinem Hause etwas anderes als eine absolut befürwortende Einordnung zu den IGV zu erwarten, ist abwegig. Insofern entpuppen sich die Antwortbriefe allenfalls als Ausdruck der jeweiligen parteipolitischen Agenda, wobei der Grundtenor (außer bei AfD und BSW) derselbe ist: ein weitgehend kritikloses Bekenntnis zur WHO, zu den IGV und zu dem noch auszuhandelnden Pandemievertrag.
Trotzdem wurden vereinzelt Antwortbriefe auch aus den Reihen von SPD, FDP und Union individuell abgefasst. Wo dies der Fall ist, tauchen interessante Informationen auf. So weist eine einzige Abgeordnete darauf hin, dass Deutschland – entgegen den vollmundigen Beteuerungen vieler ihrer Kollegen, wonach Deutschland ausschließlich selbstbestimmt agiere – seine Verhandlungsrolle für die IGV an die EU-Kommission abgetreten habe, und erläutert die deutsche Rolle bei der Entwicklung von Pandemieprodukten:
„Die EU-Kommission wurde mandatiert, dies [ein Pandemieabkommen] für alle Mitgliedsstaaten zu verhandeln. […] DEU [Deutschland] bringt sich in so einem Prozess […] aktiv ein [… und] setzt sich insbesondere für die Themen Pandemieprävention, One Health, Kapazitätsausbau und Stärkung der Pandemievorsorge sowie ein zeitiges Teilen von Pathogenproben und Genomsequenzierungsdaten ein. Wichtig ist zudem, dass keine Barrieren für Forschung allgemein sowie spezifisch für die Entwicklung von Pandemieprodukten errichtet werden“ (SPD-Abgeordnete).
Neben den oben genannten ablehnenden Haltungen von AfD und BSW bleiben kritische Stimmen die absolute Ausnahme:
„Vielen Dank für Ihre Mail und den Hinweis auf die tatsächlich auch in meinen Augen überstürzt beschlossene Änderung der internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO“ (Unionsabgeordneter).
„Eine wie auch immer geartete (Corona)Impfpflicht lehne ich nach wie vor strikt ab. Bei den entsprechenden Abstimmungen im Deutschen Bundestag habe ich daher mit ‚Nein‘ gestimmt. Die Rolle der WHO, insbesondere auch in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, sehe ich persönlich ebenfalls sehr kritisch“ (Unionsabgeordneter).
In den wenigen Fällen, in denen eine eigenständige Beantwortung erfolgt, offenbart sich ein eher wirklichkeitsfremder Blick auf die vergangenen gut viereinhalb Jahre. So zum Beispiel zu den RKI-Files und zum Umgang mit abweichenden Meinungen:
„Die veröffentlichten Protokolle zur Corona-Pandemie belegen jetzt noch einmal, dass die internen Debatten kontrovers waren. Weder in der Politik noch in den öffentlich-rechtlichen Medien wurde je so getan, als gäbe es keine unterschiedlichen Meinungen – im Gegenteil, es wurde doch für alle sichtbar öffentlich gestritten. Auch im Parlament gab es Anhörungen von Experten mit verschiedenen Perspektiven und Einschätzungen. Fakt ist allerdings auch, dass es in bestimmten Fragen einen großen, weltweiten wissenschaftlichen Konsens gab. Eine davon ist die Wirksamkeit von Impfungen“ (SPD-Abgeordneter).
Auch die WHO-Legende, wonach die Corona-Impfstoffe ausreichend getestet worden wären und Millionen von Menschenleben gerettet hätten, wird wiederholt angeführt:
„Die Behauptung, dass Corona-Impfstoffe nicht ausreichend getestet wurden, entspricht nicht den Tatsachen. Diese Impfstoffe wurden in umfassenden klinischen Studien auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft und von unabhängigen Gesundheitsbehörden weltweit zugelassen" (aus der Fraktion Die Linke).
„Die Corona-Impfstoffe waren getestet und die Impfungen haben Millionen Menschen das Leben gerettet“ (aus der SPD-Fraktion).
„Nur durch die Entwicklung des Corona-Impfstoffes von BioNTech konnte die Pandemie auch in Europa wieder beendet werden. Die Millionenfach [sic] erfolgreiche Anwendung zeigt die schützende Wirkung und die Verträglichkeit des Impfstoffes. Diese Leistungen, gerade mit den hierzulande entstandenen Entwicklungen in der vielversprechenden mRNA-Technologie, müssen honoriert werden. [...] wir die Bundesregierung Auffordern [sic], die Patentrechte für Impfstoffe besser zu schützen“ (aus der CDU/CSU-Fraktion).
„Alle Beschwerden nach einer Impfung, die über das übliche Maß hinausgehen, wurden in den letzten Jahren durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Verdachtsfall erfasst. […] Verdachtsfälle auf schwere Impfnebenwirkungen wurden äußerst selten gemeldet (idR. seltener als 1 Fall pro 1.000 Impfdosen). Sogenannte Langzeitfolgen […] sind bislang bei keinem Impfstoff beobachtet worden und sind auch bei den Covid-Impfstoffen nicht zu erwarten“ (FDP-Abgeordneter).
Mancher Antwortbrief hingegen macht einfach nur sprachlos:
„Ich kann Ihnen versichern, […] dass Kritikerinnen und Kritiker von Impfungen oder anderer Gesundheitsmaßnahmen nicht ‚bekämpft‘ oder diffamiert werden. Meiner persönlichen Meinung nach wurden während der Corona-Pandemie Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nicht immer ernst genug genommen. […] Zudem ist es mir ein persönliches Anliegen, dass wir uns in unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft gegenseitig zuhören und empathisch und respektvoll miteinander umgehen, gerade auch dann, wenn man mal unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Fragestellungen hat. […] Alle Impfstoffe haben Nebenwirkungen, in den meisten Fällen handelt es sich um leichte bis mittelschwere Effekte, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Natürlich gibt es seltene und sehr seltene Fälle von schweren Nebenwirkungen einer Impfung. Die jeweilige Krankheit ist aber immer viel gefährlicher als die selten auftretenden Nebenwirkungen. Manchmal sind wir Menschen irrational. Das Risiko einer Erkrankung wird dann geringer eingeschätzt, als es in Wirklichkeit ist, während das Risiko von Nebenwirkungen einer Impfung als höher empfunden wird, als es tatsächlich ist. […] Nun, nach Impfung von Millionen von Menschen weltweit, liegen sehr viele Daten vor, die uns helfen werden, die Wirksamkeit, die Nebenwirkungen und mögliche Langzeitwirkungen noch genauer zu verstehen und noch bessere Impfstoffe gegen zukünftige Krankheiten zu entwickeln. […] Ich kann Ihnen versichern, dass Menschen in Deutschland nicht gegen ihren Willen zwangsgeimpft werden. Dies war weder in der Corona-Pandemie der Fall noch wird es in Zukunft anders sein. Stattdessen setze ich mich dafür ein, dass wir den Ruf von Impfungen verbessern […]“ (SPD-Abgeordneter).
Enttäuschte Leser und der Auftrag an die Politik
Die Reaktionen der Leserinnen und Leser zeichnen sich durch eine ambivalente Haltung aus: Auf der einen Seite äußern viele ihre Dankbarkeit für die Möglichkeit, selbst aktiv werden zu können. Andererseits bringen sie ihre Enttäuschung, bisweilen sogar Verbitterung über die erhaltenen Antworten zum Ausdruck.
Vor allem der Eindruck, dass es sich bei den meisten Antwortschreiben um Standardbriefe handelte, wurde vielfach bemängelt und als Ausdruck mangelnder Wertschätzung der vorgetragenen Ängste und Sorgen eingestuft. Oft wurden die Antwortschreiben mit einem entsprechenden Hinweis versehen: „hier eine Antwort, die Sie wahrscheinlich schon vielfach erhalten haben“, „war nicht anders zu erwarten“, „passt ins Bild, dass es keine Corona-Aufarbeitung geben soll“.
Für ÄFI hat die Briefaktion ein wesentliches Stimmungsbild unter den Parlamentariern in Berlin zutage gefördert. Hier gilt es anzusetzen. Der ÄFI-Vorstandssprecher Dr. med. Alexander Konietzky erklärt dazu:
„Die Briefaktion hat gezeigt: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben die komplexe Problematik und die mit dem Machtzuwachs der WHO einhergehenden Probleme und Risiken nicht erkannt, sondern folgen den Verlautbarungen der Bundesregierung. Damit leisten sie der Entmachtung des Parlaments Vorschub, vor allem auch aufgrund falscher Annahmen zur Corona-Pandemie.
Viele ihrer Antworten offenbaren, dass die Parlamentarier in der weit überwiegenden Mehrzahl einem längst überholten Wissensstand verhaftet sind. Von daher tut die vielfach auch von ÄFI geforderte Aufarbeitung der Corona-Pandemie und der Pandemiemaßnahmen höchste Not.
Angesichts des Automatismus, mit dem die Internationalen Gesundheitsvorschriften in Kraft treten werden, muss die Bundesregierung schnellstens Widerspruch bei der WHO einlegen. Dies würde Raum für eine notwendige kritische Debatte über die IGV im Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit schaffen.
In diesem Sinne wird ÄFI weiterhin das Gespräch mit den Parlamentariern suchen und Aufklärungsarbeit leisten. Auch für die Mitglieder des Bundestages gilt unser Leitsatz: Unser Wissen für Ihre Entscheidung.“
Quellen:
(1) Montag, 02.10.2024
(2) Kölsch, 02.06.2024
(3) Bundesregierung, 03.04.2023
(4) Kölsch, 02.06.2024
(5) WHO, 01.10.2024
(6) Schreyer, 26.05.2022
(7) WHO, 2024
(8) Oysmüller, 16.08.2024
(9) Mayer, 21.08.2024
(10) FDA, 2024
(11) Mayer, 29.08.2024
(12) Sander-Faes, 04.10.2024
(13) Deutscher Bundestag, 08.02.2021
(14) Boehme-Neßler, 21.11.2023
(15) Köhler & Voshaar, 08.11.2021
(16) Fess, 30.07.2022
(17) ÄFI, 10.10.2024
(18) Kuhbandner, 21.02.2022
(19) Kuhbandner & Reitzner, 23.05.2023
(20) Andrick, 14.05.2024
(21) ÄFI, 22.03.2022
(22) ÄFI, 19.09.2024
(23) Strack, 07.04.2022
(24) Huber, 07.04.2022
(25) ÄFI, 27.06.2024
(26) Siggelkow, 25.03.2024
(27) Wieler, 28.07.2020
(28) Nehls, 16.08.2024 (Video ab 1:01:55)
(29) Deutscher Bundestag, 2022
(30) Deutscher Bundestag, 08.02.2023
(31) WHO, 28.05.2024 (Video ab Min. 9:12)
(32) The Daily Telegraph, 12.10.2022
(33) EU-Kommission, 2020
(34) ÄFI, 12.10.2022
(35) Speicher et al., 2023
(36) Cullen et al., 30.01.2024
(37) König & Kirchner, 08.05.2024
(38) Barnett, 17.09.2024
(39) ÄFI, 27.06.2024
(40) ÄFI, 30.12.2022
(41) WHO, 17.05.2022
(42) Montag, 02.10.2024
(43) Häring, 02.06.2024
(44) Theissen, 07.02.2022
(45) Chen et al., 15.03.2024
(46) Wiesendanger, 01.10.2024
(47) Van Agris, 27.04.2024
(48) BMG, 05.06.2024
(49) BMG, 04.06.2024
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