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Gericht zieht Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Zweifel

Nach Veröffentlichung der RKI-Files und der Vernehmung von RKI-Präsident Schaade stellt das Verwaltungsgericht Osnabrück die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Robert Koch-Instituts in Frage. Die auf den Empfehlungen des Instituts beruhende Begründung für die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht sei erschüttert. Nun soll das Bundesverfassungsgericht erneut darüber befinden, ob die Impfpflicht verfassungsgemäß war. Der Ärzteverein ÄFI, der seinerzeit als Sachverständiger in Karlsruhe gegen die Impfplicht argumentiert hatte und dafür vom BVerfG zur fachlichen Minderheit degradiert worden war, begrüßt die Entscheidung.

Begründet wurde die einrichtungs- und unternehmensbezogene Impfpflicht, die für den Gesundheitsbereich und die Bundeswehr galt, seinerzeit v. a. mit dem Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal.

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück befand am 3. September 2024, dass diese auf den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) beruhende Einschätzung durch die veröffentlichten Protokolle des Corona-Krisenstabs beim RKI (RKI-Files) und die Zeugenvernehmung von RKI-Präsident Prof. Dr. Lars Schaade erschüttert werde.

Geklagt hatte eine Pflegehelferin gegen ein vom Landkreis Osnabrück 2022 mangels Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ausgesprochenes Betretungs- und Tätigkeitsverbot. Das Gericht setzte dieses Verbot nun aus, die Entscheidung ist nicht anfechtbar (AZ: 3 A 224/22).

Darüber hinaus wird das Gericht das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen, um die Frage zu klären, ob § 20a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG, in der Fassung vom 18. März 2022) mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und mit dem Recht auf Berufsfreiheit (Art 12 Abs. 1 GG) vereinbar gewesen ist.


Gericht: Unabhängige Entscheidung hat es nicht gegeben

Laut der Kammer ist dies nicht der Fall gewesen, denn durch die nun erstmals einem Gericht vorliegenden unzensierten RKI-Krisenstabsprotokolle und die Zeugenvernehmung des RKI-Präsidenten sei die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung infrage zu stellen. Dies betreffe auch den Beschluss des BVerfG vom 27. April 2022, das die Verfassungsmäßigkeit von § 20a IfSG festgestellt hatte.

Das IfSG bestimmt das RKI als „nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen. Dies schließt die Entwicklung und Durchführung epidemiologischer und laborgestützter Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten ein.“ Die RKI-Files haben inzwischen gezeigt, dass die Behörde wusste, dass die Impfung keinen ausreichenden Fremdschutz vor Ansteckung bietet.

Das RKI hätte also das Bundesgesundheitsministerium über diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse informieren müssen. Dass dies nicht geschehen sei, dürfe, so das Gericht laut der Prozessbeobachterin Dr. Franziska Meyer-Hesselbarth, Rechtsanwältin und ehemalige Richterin, aber nicht zu Lasten der Bevölkerung gehen. Vielmehr sei der Gesetzgeber seiner Beobachtungspflicht nicht nachgekommen: Er habe es versäumt, sich in engem fachlichen Austausch mit dem RKI über den fortschreitenden Stand der Forschung zum Corona-Virus zu informieren und gegebenenfalls die Impfpflicht zu überprüfen.


Corona-Risikoeinschätzung nach politischen Weisungen

Laut Meyer-Hesselbarth räumte RKI-Chef Schaade „mehrmals deutlich und unumwunden ein, dass das RKI politischen Weisungen und Wünschen entsprochen habe.“

Dies betraf offenbar auch die Risikoeinschätzung des RKI zur Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus, auf die sich zahlreiche Gerichte in ihrer Urteilsfindung berufen haben. Insbesondere die Hochstufung der Risikobewertung Mitte März 2020 legte den Grundstein für die Lockdown-Maßnahmen und in der Folge für viele Gerichtsentscheidungen zu Klagen von Betroffenen.

Die Risikoeinschätzung des RKI habe laut Schaade zum „Management-Bereich“ gehört, „mit anderen Worten: zum Bereich der nicht wissenschaftlichen Arbeit des RKI, der einer politischen Einflussnahme unterworfen war. Dies war der Moment, in dem fast alle Zuhörer im Saal einmal tief Luft holen mussten, weil sie ihren Ohren nicht trauten. Aber doch: Lars Schaade hatte gerade eben mit wenigen Worten die Grundlage der Gerichte zur Rechtfertigung der tiefgreifenden Pandemie-Einschränkungen zum Einsturz gebracht.“

Das Osnabrücker Gericht, so Meyer-Hesselbarth, sei davon überzeugt, dass § 20a IfSG spätestens am 7. November 2022 verfassungswidrig gewesen sei. Nun hat das BVerfG darüber zu entscheiden, ob das Auslaufenlassen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zum Jahresende 2022 gegen die Grundrechte der Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich verstieß. Auch die Soldaten der Bundeswehr werden gespannt nach Karlsruhe blicken, schließlich wurde ihnen das Ende der Duldungspflicht für die Corona-Impfung erst Mitte 2024 in Aussicht gestellt.


Verfassungsrechtler: Jeder Richter wusste, dass das RKI nicht unabhängig ist

Zur Rolle des RKI für die Gerichte in Deutschland hatte sich zuvor bereits der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler gegenüber den Nachdenkseiten geäußert: „Natürlich wusste jeder Richter, dass das RKI keine unabhängige Forschungsinstitution ist. Es ist eine Bundesbehörde, die in die Behördenhierarchie eingebunden und gegenüber dem Gesundheitsminister weisungsgebunden ist. Das RKI darf nichts tun, was ihm der Minister verbietet.

Trotzdem haben die Gerichte das RKI als entscheidende und oft einzige Informationsquelle genutzt. Obwohl es qualifizierte und renommierte Kritiker gab, haben sie ihre Urteile im Zweifel, nicht selten sogar ausschließlich, auf die Informationen des RKI gestützt. Man hätte schon damals wissen müssen, dass dies ein Fehler ist.“

Der Oldenburger Verfassungsrechtler hatte im Auftrag und mit Expertise der Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) im Frühjahr 2022 ein Rechtsgutachten zur Beurteilung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht erstellt. Sein Fazit damals: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist verfassungswidrig. In dem Verfahren vor dem BVerfG war ÄFI als sachkundiger Dritter geladen und hatte als einzige Expertengruppe auf den fehlenden Fremdschutz der Corona-Impfung verwiesen. Das Gericht jedoch stufte dies als Meinung einer fachwissenschaftlichen Minderheit ein und wies letztlich die Klagen gegen die Impfpflicht mit dem Argument des Fremdschutzes ab.


ÄFI wies als einziger auf fehlenden Fremdschutz der Corona-Impfungen hin

Das Verfassungsgericht beschrieb damals die Position von ÄFI wie folgt: „Es müsse davon ausgegangen werden, dass schon kurze Zeit nach einer Grundimmunisierung kein relevanter Eigenschutz mehr bestehe; das eigene Ansteckungsrisiko scheine im weiteren Verlauf sogar höher zu sein als bei Ungeimpften. (…) Es sei davon auszugehen, dass die aktuellen Impfstoffe das Übertragungsrisiko gar nicht oder nur sehr gering reduzierten. Insoweit sei auch zu beachten, dass es im Zulassungsverfahren der COVID-19-Impfstoffe überhaupt nicht um den durch eine Impfung vermittelten Übertragungsschutz, sondern nur um den Schutz vor der Erkrankung gegangen sei. Es gebe keine Evidenz für eine noch im Herbst 2022 bestehende Wirksamkeit einer zum Beispiel im Frühjahr 2022 durchgeführten Impfung.“

Unter Berufung auf das RKI und entgegen des ÄFI-Befundes folgte das Gericht schließlich der Annahme eines Fremdschutzes und urteilte: „Danach erweist sich die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht als geeignetes Mittel, um Leben und Gesundheit vulnerabler Personen zu schützen. Die Annahmen des Gesetzgebers zur Eignung der Nachweispflicht sind vertretbar und beruhen auf hinreichend tragfähigen Grundlagen. […] (b) Dabei durfte der Gesetzgeber auch annehmen, dass der Nachweis einer Impfung oder Genesung der dort Tätigen zum Schutz von Leben und Gesundheit vulnerabler Menschen beiträgt. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes ging eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon aus, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren und auch das Virus seltener übertragen können als nicht geimpfte oder nicht genesene Personen. Angenommen wurde auch, dass dann, wenn sich Geimpfte infizieren, sie weniger und nur für einen kürzeren Zeitraum als nicht Geimpfte infektiös sind (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 48/2021, S. 25 f.; RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 26. November 2021) und eine COVID-19-Schutzimpfung zum Schutz Anderer beiträgt (vgl. PEI, Dossier zum Thema „Coronavirus – COVID-19-Impfstoffe“; RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 16. Dezember 2021, S. 26).“

Das BVerfG kam zu dem Schluss: „Insbesondere die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose, die verfügbaren Impfstoffe würden auch gegenüber der Omikronvariante des Virus eine noch relevante Schutzwirkung entfalten, wird durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes ausweislich der Stellungnahmen der im hiesigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht erschüttert (dazu Rn. 50 ff.). Zwar vermag der Verein der Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung nur einen allenfalls sehr geringen Beitrag der Impfung zur Reduzierung des Transmissionsrisikos zu erkennen. Die Übrigen sachkundigen Dritten gehen jedoch übereinstimmend von einer weiterhin bestehenden, wenn auch gegenüber den Vorvarianten reduzierten, relevanten Impfstoffwirksamkeit aus.“

Selbst auf ergänzende Schriftstücke, die ÄFI beibrachte und welche die neueste Studienlage berücksichtigten, ging das Gericht nicht ein und wies die Klagen schließlich ohne mündliche Verhandlung ab.


Auch im Gesundheitsausschuss argumentierte ÄFI gegen die Impfpflicht

Durch die RKI-Protokolle ist inzwischen belegt, dass das RKI intern ähnliche Positionen wie ÄFI vertreten, diese aber nicht nach außen kommuniziert hat. Was das RKI dem Bundesverfassungsgericht mitgeteilt hat, ist unklar, denn die Stellungnahme ist nicht öffentlich einsehbar. Dass das RKI eine Stellungnahme abgegeben hat, wird aus der Stellungnahme Karlsruhes deutlich: „Die Bundesregierung hat mit Blick auf die fachlichen Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts von einer eigenen Stellungnahme abgesehen.“

Auch nach der Karlsruher Abweisung hat ÄFI auf die Aufhebung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gedrängt, so im Gesundheitsausschuss des Bundestages im Oktober 2022. Der Ärzteverein begründete ausführlich, dass die Corona-Impfungen keinen relevanten Fremdschutz und keinen nachhaltigen Eigenschutz vermitteln, stattdessen aber zu relevanten Nebenwirkungen in zahlreichen Fällen führen.


Osnabrücker Urteil weist die Richtung für die Corona-Aufarbeitung

Für ÄFI ergeben sich aus dem Osnabrücker Urteil wesentliche Aspekte für die Aufarbeitung der Corona-Krise. Der ÄFI-Vorstandssprecher Dr. med. Alexander Konietzky erklärt:

„Erstmals wurden nun die RKI-Protokolle in einem Gerichtsverfahren verwendet. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat die Abhängigkeit des RKI von der Politik deutlich herausgearbeitet. Damit wurde dem Argument von der Wissenschaftlichkeit der Corona-Maßnahmen und der Rechtsprechung für diese Maßnahmen der Boden unter den Füßen weggezogen.

Unser Verein fühlt sich damit in seiner evidenzbasierten Auffassung aus der Hochzeit der Corona-Krise bestätigt. Allerdings nützt dies denjenigen wenig, die aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ihre Arbeit und ihre Existenz verloren und vielfach allein durch die Ankündigung der Impfpflicht gravierende seelische Verletzungen davongetragen haben.

Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass die Gerichte auch solche Expertisen in ihre Urteile einfließen lassen, die nicht unbedingt einer Mehrheitsmeinung entsprechen, dafür aber in ihrer wissenschaftlichen Evidenz schlüssig sind.

Als Teil einer umfassenden Corona-Aufarbeitung ist das Bundesverfassungsgericht nun gefordert, die eigene Rechtsprechung und die aller Gerichte in Sachen Corona auf die Füße zu stellen. Um das bei vielen Menschen verlorengegangene Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und in die Gewaltenteilung in unserem Land zurückzugewinnen, muss sichergestellt werden, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederholen kann.“

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