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Röteln
Wie sieht der typische Infektionsverlauf bei einer Röteln-Erkrankung aus? Was ist die aktuelle epidemiologische Situation? Zu welchen Komplikationen kann es kommen - sowohl bei der Infektion als auch bei der Impfung? Und wie lange hält die Dauer des Impfschutzes an?
Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie im nachfolgenden Fachbeitrag.
Vorbemerkung
Die folgenden Ausführungen dienen der Information und ersetzen keinesfalls das ärztliche Beratungsgespräch. Hier werden Fakten präsentiert, die Eltern wie auch Ärztinnen und Ärzten in einem Aufklärungsgespräch helfen können. Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) übernimmt keine Garantie für Vollständigkeit, hat die hier verfügbaren Inhalte jedoch nach bestem Wissen und mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Dr. med. Steffen Rabe (impf-info.de) zusammengetragen. Über die wissenschaftliche Arbeit des Vereins erfahren Sie hier mehr. Der Fachbeitrag wird jährlich aktualisiert. Das dargelegte Wissen entspricht dem Kenntnisstand zum angegebenen Veröffentlichungsdatum.
Fachbeitrag
Erreger
- Rötelnvirus
Infektionsmodus
- Tröpfcheninfektion
Infektionsverlauf
- Inkubationszeit 14 - 18 Tage
- Bis zu 50 % der Fälle verlaufen asymptomatisch, d. h. unbemerkt (RKI, 2021).
- Symptome: Unwohlsein, leicht erhöhte Temperatur, Lymphknoten-, selten auch Milzvergrößerung, selten Leberentzündung, typischer Hautausschlag (kann fehlen!)
- Infektiosität ab 7 Tage vor Ausbruch des Exanthems für ca. 14 Tage
- Sonderform konnatale Röteln: Bei Rötelnerkrankung einer Schwangeren im 1. Drittel der Schwangerschaft kommt es in bis zu 90 % der Fälle zu einer schweren Schädigung des Kindes (Herzfehler, geistige Behinderung, Taubheit, ...) (Matysiak-Klose, 2013). In den letzten Jahren wurden in Deutschland jährlich 1 – 2 Fälle konnataler Röteln gemeldet.
Komplikationen
- Auch bei Röteln treten komplizierte Verläufe mit steigendem Erkrankungsalter häufiger auf (RKI, 2021). Diese "Rechtsverschiebung" des Erkrankungsalters ist aber unmittelbare Folge der Impfstrategie im frühen Kindesalter.
- Selten: vorübergehende Gelenkschmerzen und -entzündungen (v. a. bei Jugendlichen und Erwachsenen, v. a. bei Frauen), Thrombozytopenie.
- Sehr selten: Enzephalitis (Matysiak-Klose, 2013). Die Prognose ist hier meist wesentlich günstiger als bei Masern.
- Rötelnvirus
Hinweis: Die Röteln-Impfung kann mit den derzeit in Deutschland zugelassenen Präparaten nur in Form einer Masern-Mumps-Röteln-Kombination (MMR) bzw. als Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Kombination (MMRV) verimpft werden. Weitere Informationen zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen der verfügbaren Kombinationsimpfstoffe finden Sie unter Masern: Die Impfung.
Wirksamkeit
- Mit modernen Impfstoffen > 90 %. Die WHO geht von einer Effektivität von über 95 % schon bei einer Impfung aus (WHO, 2020). Auch die "Bibel der Impfologie" - Vaccines - geht von ausreichendem Schutz schon nach einer Impfung aus (Reef, 2018).
- Fragwürdig ist dennoch die Dauer des Impfschutzes: Selbst bei einer Impfung erst im Alter von 13 Jahren wiesen in einer Untersuchung mehr als 10 % der untersuchten Frauen im Alter von 19–22 Jahren keine als schützend angesehenen Antikörperspiegel mehr auf (Wysokinska 2004).
- Etwas ältere Untersuchungen (mit dem auch heute noch verwendeten Impfvirus-Stamm RA 27/3) weisen klar ein sekundäres Impfversagen der Rötelnimpfung nach: 5 Jahre nach der initial erfolgreichen Impfung steckten sich 10 % der geimpften Mädchen im Rahmen einer Epidemie wieder an, erkrankten dann aber ohne Symptome (Cusi et al., 1993). Das stellt auch die für die Röteln-Impfung immer wieder betonte Herdenimmunität (Impfung auch für Jungen, um Schwangere zu schützen) stark infrage.
- Die Situation ist also widersprüchlich: Auf der einen Seite gehen wir davon aus, dass nur eine Rötelnimpfung ausreichenden Schutz gewährt (Reef & Plotkin, 2018). Auf der anderen Seite aber können wir ein klinisch relevantes Nachlassen der Immunität schon nach wenigen Jahren zweifelsfrei nachweisen (Wysokiñska et al., 2004, Cusi et al., 1993). Schließlich finden wir deutliche Anhaltspunkte dafür, dass sogar eine dritte (!) Rötelnimpfung im frühen Erwachsenenalter die Immunität noch einmal verbessert (Siira et al., 2018) und zu diesem Zeitpunkt (noch/wieder?) nicht immune Frauen einen Schutz entwickeln.
Nebenwirkungen
- Hauptnebenwirkung der Rötelnimpfung ist eine akute, aber auch eine chronische Gelenkentzündung (Geier & Geier, 2002; Tingle et al., 1997). Sie tritt auf bei bis zu 20 % aller Frauen (Fulginiti, 1976), 25 % bei Frauen in den 20ern, 50 % der Frauen zwischen 25 und 33 Jahren (Swartz et al., 1971), 46 % bei Frauen über 25 Jahren (Weibel et al., 1972).
- Es sind mehrere Fälle von Entzündungen der vorderen Augenabschnitte mit Linsentrübung nach der Röteln/MMR-Impfung beschrieben. Dies wird auf die Röteln-Komponente zurückgeführt, weil im Kammerwasser der betroffenen Patienten rötelnspezifische Antikörper nachgewiesen werden konnten (Ferrini et al., 2013). Erinnert sei daran, dass auch bei der verhängnisvollen Auswirkung von Röteln im ersten Schwangerschaftsdrittel bei den geschädigten Kindern oft die Augen(linsen) betroffen sind.
- Thrombopenien (Bartos, 1972)
- Selten: Enzephalitis, Meningitis, Guillain-Barré-Syndrom, Neuropathien (0,1–2,2/1000 Impfdosen) (Schaffner et al., 1974, Cusi et al., 1999).
Die Empfehlungen
- Ebenso wie bei Masern und Mumps steht auch bei Röteln (seit 2012) kein Einzelimpfstoff mehr zur Verfügung, weshalb die STIKO zwei Impfstoffdosen im Alter von 11 und 15 Monaten mit einem MMR-Kombinationsimpfstoff (Masern-Mumps-Röteln) empfiehlt.
- Es wird ein Mindestabstand von 4 Wochen empfohlen.
- Das Ziel der Röteln-Impfung sei die Verhinderung von Röteln-Embryopathien und die Elimination von Röteln in Deutschland.
- Auch Personal in medizinischen Einrichtungen, Einrichtungen der Pflege, Gemeinschaftseinrichtungen, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von AsylbewerberInnen, Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern, sowie in Fach-, Berufs- und Hochschulen soll geimpft werden.
- Eine bereits bestehende Immunität gegen einen oder zwei der enthaltenen Erreger stelle keine Kontraindikation dar, da es gegen den MMR-Impfstoff keine Sicherheitsbedenken gebe.
- Männer benötigen theoretisch nur eine und Frauen zwei Röteln-Impfungen.
- Für Schwangere ist der MMR-Impfstoff kontraindiziert, da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt. Eine versehentliche Impfung stellt laut RKI keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch dar.
(Robert Koch-Institut, 2023)
Kritik an den STIKO-Empfehlungen
- De facto kommt es durch das Masernschutzgesetz, wie auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt, nicht nur zu einem Masern-Impfzwang, sondern auch zu einem Mumps- und Röteln-Impfzwang (Bundesverfassungsgericht, 2022). Die STIKO fordert hier keine Einführung von Einzelimpfstoffen, wodurch weiterhin eine Empfehlung gewährleistet bliebe, sondern toleriert den Impfzwang.
- Zudem führt das Fehlen eines Röteln-Einzelimpfstoffes praktisch dazu, dass die STIKO-Empfehlungen nicht konsequent umgesetzt werden können: Männer benötigen zwar nur eine Röteln-Impfung, werden durch den MMR-Kombinationsimpfstoff aber trotzdem doppelt geimpft.
Bartos H. R. (1972). Thrombocytopenia associated with rubella vaccination. New York state journal of medicine, 72(4), 499.
Bundesverfassungsgericht. (2022, August 18). Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Masern. Pressemitteilung Nr. 72/2022. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-072.html
Centers für Disease Control an Pravention. (2021, 26. Januar). Mumps Vaccination. Abgerufen am 29. September 2022, von https://www.cdc.gov/vaccines/vpd/mumps/index.html#:%7E:text=The%20mumps%20component%20of%20the,%2C%20and%20varicella%20(chickenpox)
Cusi, M. G., Bianchi, S., Santini, L., Donati, D., Valassina, M., Valensin, P. E., Cioé, L. & Mazzocchio, R. (1999, Januar). Peripheral neuropathy associated with anti-myelin basic protein antibodies in a woman vaccinated with rubella virus vaccine. Journal of Neurovirology, 5(2), 209–214. https://doi.org/10.3109/13550289909022004
Cusi, M. G., Valensin, P. E. & Cellesi, C. (1993, März). Possibility of reinfection after immunisation with RA 27/3 live attenuated rubella virus. Archives of Virology, 129(1–4), 337–340. https://doi.org/10.1007/bf01316909
Ferrini, W., Aubert, V., Balmer, A., Munier, F. L. & Abouzeid, H. (2013, 1. Oktober). Anterior Uveitis and Cataract After Rubella Vaccination: A Case Report of a 12-Month-Old Girl. Pediatrics, 132(4), e1035–e1038. https://doi.org/10.1542/peds.2012-2930
Fulginiti, V. A. (1976, April). Controversies in current immunization policy and practices: One physician’s viewpoint. Current Problems in Pediatrics, 6(6), 1–35. https://doi.org/10.1016/s0045-9380(76)80001-1
Geier, D. A. & Geier, M. R. (2002). A one year followup of chronic arthritis following rubella and hepatitis B vaccination based upon analysis of the Vaccine Adverse Events Reporting System (VAERS) database. Clinical and experimental rheumatology, 20(6), 767–771. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12508767/
Matysiak-Klose, D. (2013, 24. August). Hot Spot: Epidemiologie der Masern und Röteln in Deutschland und Europa. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 56(9), 1231–1237. https://doi.org/10.1007/s00103-013-1799-x
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Robert Koch-Institut. (2021, 5. August). Röteln RKI-Ratgeber. Abgerufen am 28. September 2022, von https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Roeteln.html#doc2394074bodyText3
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Siira, L., Nøkleby, H., Barlinn, R., Riise, Y. R., Aaberge, I. S. & Dudman, S. G. (2018, 21. Juni). Response to third rubella vaccine dose. Human Vaccines & Immunotherapeutics, 14(10), 2472–2477. https://doi.org/10.1080/21645515.2018.1475814
Swartz, T. A., Klingberg, W., Goldwasser, R. A., Klingberg, M. A., Goldblum, N. & Hilleman, M. R. (1971, September). CLINICAL MANIFESTATIONS, ACCORDING TO AGE, AMONG FEMALES GIVEN HPV-77 DUCK RUBELLA VACCINE. American Journal of Epidemiology, 94(3), 246–251. https://doi.org/10.1093/oxfordjournals.aje.a121318
Tingle, A. J., Mitchell, L. A., Grace, M., Middleton, P., Mathias, R., MacWilliam, L. & Chalmers, A. (1997). Randomised double-blind placebo-controlled study on adverse effects of rubella immunisation in seronegative women. The Lancet, 349(9061), 1277–1281. https://doi.org/10.1016/s0140-6736(96)12031-6
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Wysokiñska, T., Janaszek, W., Bucholc, B., Gorska, P., Gniadek, G., Slusarczyk, J. & Rawicz, M. (2004, Mai). The prevalence of anti-rubella antibodies in women of childbearing age in Poland. Vaccine, 22(15–16), 1899–1902. https://doi.org/10.1016/j.vaccine.2003.11.004
Stand: 15. Okt. 2024
Nächste Aktualisierung: 15. Okt. 2025
Erstveröffentlichung: 18. Okt. 2022