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Covid-19-Impfung

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie hat ÄFI zu einer differenzierten Debatte um die Impfstoffe durch verschiedene Publikationen wie Stellungnahmen, FAQs, Videos oder offene Briefe beigetragen. Unter anderem wurden die STIKO-Empfehlungen, arbeitsrechtliche Benachteiligungen für Nicht-Geimpfte, die Änderungen am Infektionsschutzgesetz und Nebenwirkungen der Impfstoffe kritisch diskutiert. Hier finden Sie alle Beiträge zum Thema Covid-19-Impfung.

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Das RKI zwischen wissenschaftlicher Evidenz und politischer Propaganda (I)

Mit der weitgehenden Offenlegung der Protokolle des RKI-Krisenstabs ist klar: Nicht die Politik ist der Wissenschaft gefolgt, sondern die Politik machte Druck, damit das RKI Argumente zur Durchsetzung der Corona-Maßnahmen lieferte. So konnte es gelingen, evidenzfreie Maßnahmen in der Öffentlichkeit als wissenschaftsbasiert zu verkaufen. Die Bevölkerung trieb man in eine „Impfung“, von deren Wirkung man nichts wusste – außer, dass es Nebenwirkungen geben würde.

Nach der Veröffentlichung der Protokolle des COVID-19-Krisentabs am Robert Koch-Institut (RKI) mit zahlreichen geschwärzten Stellen im März (1) hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Wort benutzt, das man im Wörterbuch vergebens sucht: Weitestgehend „entschwärzen“ wolle er die Protokolle. Im Sinne einer vorbehaltlosen Aufklärung hätte er auch sagen können, sie offenlegen oder freigeben zu wollen.

Aufklärung als Ziel aber darf weiterhin bezweifelt werden, wie auch die „entschwärzten“ Protokolle zeigen: Zahlreiche Stellen bleiben den Augen der Öffentlichkeit weiterhin verborgen, insbesondere in den Protokollen vom 24.01.2020, 02.03.2020, 25.05.2020, 02.10.2020 und 11.01.2021.

Auch nach der „Entschwärzung“ weiterhin geschwärzt: Die Protokolle der RKI-Krisenstabsitzungen vom 24.01.2020 (oben) und 25.05.2020 (unten) (Ausschnitte, Quelle: RKI). Zur Vergrößerung bitte hier und hier klicken.

Der Umfang der verbliebenen Schwärzungen lässt sich kaum mit der Begründung des RKI rechtfertigen, wonach „personenbezogene Daten nach § 5 IFG [Informationsfreiheitsgesetz] und Geschäftsgeheimnisse Dritter nach § 6 IFG“ zu respektieren seien. Aber das, was nun sichtbar geworden ist, lässt weitere Abgründe erkennen.

Seit Ende Mai liegen die Protokolle in der neuen Fassung (2) vor. Das ist immerhin rund einen Monat vor dem Gerichtstermin von RKI und dem freiklagenden Magazin Multipolar am 8. Juli und nährt den Verdacht, man habe einem Urteil zur vollständigen Offenlegung zuvorkommen wollen. Immerhin hat das RKI angekündigt, die restlichen Protokolle seines Krisenstabs für den Zeitraum von Mai 2021 bis Juli 2023 nach Klärung von personenbezogenen Daten und Drittbeteiligung „so schnell wie möglich“ zu veröffentlichen.


Wie es zur Hochstufung im März 2020 kam

Einen zentralen Punkt der geschwärzten Protokolle betraf die Frage, wer nach dem Wochenende 14./15. März 2020 das Signal gegeben hat, dass die Risikobewertung „hochskaliert“ werde. In der neuen Fassung steht hinter der vorherigen Schwärzung der Name des damaligen RKI-Vize und heutigen RKI-Chefs Lars Schaade.

Die Protokolle lassen die Frage offen, was genau Schaade dazu veranlasste, an der Risikoschraube zu drehen, wodurch der Weg frei wurde für den ersten Lockdown wenige Tage später. Noch am Freitag zuvor hatte der Krisenstab festgestellt: „Aktuelle Risikobewertung bleibt bestehen.“ Die Anwälte des RKI hatten zudem erklärt, es gebe keine weiteren Dokumente für diese Entscheidung. Folgte Schaade also externen Einflüsterern?

Hinweise zur Aufklärung lieferte jüngst eine Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses zum „Management der Corona-Pandemie in Rheinland-Pfalz“. Dort erklärte der Gesundheitsdaten-Analyst Tom Lausen am 20. Juni 2024:

„Die Hochstufung [der Risikobewertung] des RKI durch Herrn Schaade – wie aus den RKI-Protokollen bekannt geworden ist – und Herrn Wieler war zu diesem Zeitpunkt ohne die Berücksichtigung der wirklichen Krankheitslast in den Kliniken, sondern rein aufgrund der Fallzahlen im Wesentlichen aus dem Ausland. Die Herren Wieler und Schaade haben das am Wochenende ohne Einbeziehung aller wissenschaftlichen Grundlagen entschieden. Das sage nicht ich, sondern das sagt Herr Wieler selbst in einer Whatsapp-Nachricht an eine Journalistin der WELT, die mir vorliegt“ (Video ca. Min. 15:55).

Lars Schaade führte in derselben Anhörung unter Bezugnahme auf Lausen den „letztendlich exponentiellen Anstieg der Fallzahlen“ als Grund ins Feld, die Pandemie habe damals „abgehoben“, weshalb man hochgestuft habe. Als weitere Gründe nannte Schaade die Modellierungen des RKI, um Situationen wie in Bergamo, Ost-Frankreich und Teilen der USA zuvorzukommen, und bestätigte damit indirekt die Ausführungen Lausens in diesem Punkt (Video ca. 1:25:08 h).

Zwei Wochen vor der Heraufstufung ist mit Blick auf die Risikobewertung in den Protokollen vermerkt: „Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung wird in Deutschland als mäßig eingeschätzt. (…) Es gab Kritik vom BMG [Bundesgesundheitsministerium], dass das Risiko vom RKI zunächst zu gering eingestuft war. Es sollte aber nicht zu sehr eskaliert werden, um Panik etc. zu vermeiden“ (02.03.2020).

Am 17. März heißt es dann: „Durch den starken Anstieg der Fallzahlen wird die Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung jetzt als ‚hoch‘ eingestuft. (…) Das BMG will den regulatorischen Rahmen ändern, um somit Herrn Spahn mehr Befugnisse zu erlauben.“

Dass diese Risikohochstufung für Deutschland fachlich auf tönernen Füßen stand, belegt ein Vermerk eine Woche später. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza des RKI, die das Auftreten respiratorischer Erkrankungen in Deutschland überwacht, meldet: „Gestern 1 positive Probe von 40. Virologische Ergebnisse legen nahe, dass SARS-CoV-2 nicht breit zirkuliert“ (24.03.2020).

Die Einflussnahme seitens der Politik auf die Arbeit des RKI wird hier offensichtlich. Wie zahlreiche nun freigelegte Passagen belegen, hat die Politik immer wieder dem RKI die Richtung vorgegeben, in der zu argumentieren sei. In so vielen Fällen, dass von einer Systematik gesprochen werden muss. Dabei ist zu bedenken, dass es sich beim RKI nicht um eine unabhängige Einrichtung handelt. Tatsächlich ist das RKI gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium weisungsgebunden.


Differenzen zwischen RKI und Politik

Hinsichtlich des eigenen Sachstands wurde das RKI von politischer Seite wiederholt vor den Kopf gestoßen bzw. vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Öffentlichkeit blieb dies verborgen. Hier trat die RKI-Leitung staatstragend auf und verkaufte als Stand der Wissenschaft auch das, was intern umstritten war. Nachfolgend eine kleine Auswahl (Hervorhebungen vom Verf.):

„BMI [Bundesinnenministerium] hat gestern Schreiben rumgeschickt, dass alle Patienten in Gesundheitsinstitutionen getestet werden sollen, auch asymptomatische > Einigkeit in Krisenstab, dass dies nicht sinnvoll ist“ (28.02.2020).

„Spahn hat gestern angekündigt, dass Anreisende auch aus anderen Ländern [nicht nur aus China] Aussteigekarten[3] ausfüllen müssen (…) Fachgruppe IGV-benannte Flughäfen[4] und RKI sind nicht einverstanden und sind alle fachlich der Meinung, dass dies infektionsepidemiologisch nicht sinnvoll und logistisch nicht umsetzbar ist, wurde in Tagesschau von Spahn angekündigt“ (28.02.2020).

Absage von Veranstaltungen: Die [Bundes-]Länder wünschen sich eine Stellungnahme vom RKI dazu. Dies ist aber eine politische Entscheidung, sodass das RKI keine Stellungen bezieht“ (09.03.2020).

„Die Äußerung von Hr. Lauterbach [damals noch nur MdB; Name vormals geschwärzt] zur Evidenzlage und zur politischen Umsetzung der Infos aus der Wissenschaft sollten genau betrachtet werden. Das RKI sollte klar stellen: was ist die wissenschaftliche Evidenz und was die politische Auslegung, die das RKI umsetzt“ (02.05.2020).

„Der vom RKI erstellte Entwurf [über Aufnahmeeinrichtungen] ist an das BMI weitergeleitet worden und anschließend auf Referentenebene von BMG und BMI geändert worden. Dabei wurden fachliche Empfehlungen des RKI z.T. substantiell verändert. Grundsätzlich ist zu hinterfragen, wie auf ein solches Vorgehen mit fachlichen Empfehlungen des RKI reagiert werden soll. Es wäre denkbar, eine Vorversion zu veröffentlichen oder auf eine Veröffentlichung zu verzichten. Im BMG war primär das Team 3 unter involviert, welches die Problematik gesehen habe. Ggf. sollte überlegt werden, 2 Dokumente zu entwickeln: eins für die fachlichen Empfehlungen des RKI und ein zweites für die politischen Entscheidungen, was dann eine politische Ressortabstimmung zwischen BMG und BMI etc. durchlaufen kann. Es wird erwähnt, dass dpa eine Version des Papiers von Anfang Mai über das BMI erhalten und sich nach dem aktuellen Stand erkundigt habe“ (08.06.2020).

Protokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 08.06.2020 (Ausschnitt, Quelle: RKI). Zur Vergrößerung bitte hier klicken.

Die Ressorts von Jens Spahn und Horst Seehofer änderten offenbar die fachlichen Empfehlungen, wie es in ihre politische Agenda passte. Der Vorschlag, künftig mehrere Dokumente zu verfassen, ist Ausdruck reiner Hilflosigkeit im RKI angesichts dieser Praxis. Der abschließende Hinweis auf die Deutsche Presse-Agentur (dpa) verweist auf das Zusammenspiel von Politik und Medien, um über Bande Druck auf das RKI auszuüben.

Externe Einflussnahme beklagt auch der folgende Eintrag, verbunden mit einer eindeutigen Aufforderung an die RKI-Leitung: „Das RKI kann Aufträge und Anfragen des BMGs nur im geringen Maße ablehnen. Die Leitung achtet auf die Aufgabenlast. Externe Einflussnahme auf wiss. Daten und Ergebnisse ist nicht akzeptabel und bei solchen Versuchen sollte die Leitung umgehend bilateral kontaktziert werden um eine Klärung zu erwirken“ (01.03.2021).

Verwirrung herrschte auch bei den Themen Maskenpflicht, FFP2-Masken und Masken im Freien:

„In dem BZgA [Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung] Video zur Mund-Nasen-Bedeckung gibt es Szenen die Personen z.B. auf dem Fahrrad mit MNB zeigen. Dies kann eine falsche Botschaft senden. MNB sollten in Geschlossenen Räumen getragen werden. (…) Das Video vermittelt einen falschen Eindruck für die Bevölkerung. Das dauerhafte/vermehrte Tragen von Masken kann auch Schaden bringen“ (04.05.2020).

„In Bayern ist eine FFP-2 Maskenpflicht ab Montag geplant. Es gibt keine neuen Daten zum Eigenschutz von FFP-2 Masken, der über MNS [Mund-Nasen-Schutz] hinausgeht. (…) Aus fachlicher Sicht es nicht unproblematisch generell FFP-2 Masken zu empfehlen. Dies kann bei Personen mit Vorerkrankungen zu gesundheitlichen Problemen führen und sollte deshalb eine individuelle Entscheidung bleiben. Eine generelle FFP-2 Maskenpflicht wird als nicht sinnvoll erachtet“ (13.01.2021).

Protokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 13.01.2021 (Ausschnitt, Quelle: RKI). Zum Vergrößern bitte hier klicken.

„BAuA [Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin] empfiehlt FFP2 nicht für Laien (…) Politik empfiehlt ‚medizinische Maske‘ (darunter also auch FFP2) im Gegensatz zu MNB. Wir sollten FFP2-Nutzung von Laien weder empfehlen noch davon abraten“ (22.01.2021).

„Generell viele direkte Arbeitsaufträge vom BMG die in die wissenschaftliche Hoheit des RKI eingreifen“ (09.09.2020).


Das RKI befürchtete eigenen Machtverlust

Besonders brisant wird es bei der Frage der Einführung einer Inzidenz von 35/100.000 Einwohnern als Schwellenwert (Indikator), bei dem Maßnahmen zu ergreifen sind:

„Indikatoren bereit zu stellen wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt, jedoch werden diese nachdrücklich von politischer Seite eingefordert (eine diesbezügliche Weisung ist jedoch nicht erfolgt). Die genannte Inzidenz kommt aus einer Diskussion zwischen BM Braun [Kanzleramtsminister] und BM Spahn“ (05.05.2020)

Die folgende freigelegte Passage zeigt den Zwiespalt, in dem sich das RKI befindet: „Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach, besteht das Risiko, dass politische Entscheidungsträger selbst Indikatoren entwickeln und/ oder das RKI bei ähnlichen Anfragen nicht mehr einbindet. (…) Bei fehlender fachlicher Grundlage für die Entwicklung der gewünschten Indikatoren müsse dies klar kommuniziert werden, um die Glaubwürdigkeit des Instituts nicht zu gefährden“ (05.05.2020).

Am 07.05.2020 wird vermerkt: „Neuer Grenzwert der Bundesregierung: 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern (…) Aufgabe aus dem BMG: Wert 35/100.000 Einwohner (…) ist vom BKAmt [Bundeskanzleramt] gewünscht (…).“ Ein Eintrag ein Dreivierteljahr später, als die Impfkampagne bereits einen Monat lang lief, bestätigt die Willkür der politischen Entscheidung: „Die neue Darstellung zeigt, dass Stufenmodelle mit exakten Grenzen wenig sinnvoll sind, auch die Grenze von 50/100.000 wurde nicht auf Basis von RKI Daten bzw. durch das RKI gewählt“ (25.01.2021).

Folgt das Robert Koch-Institut seiner fachlichen Sicht, droht die Politik sich abzuwenden und es künftig außen vor zu lassen. Indem das RKI sich der Politik beugte und damit den Bereich der evidenzbasierten Wissenschaft verließ, verlor es zugleich den Schutz der Bevölkerung aus den Augen.

Auch Möglichkeiten der Manipulation werden erkannt: „Die nachträglich übermittelten Fallzahlen werden als Fälle/Differenz zum Vortag gezählt, aber die 7-Tage-Inzidenz wird nicht nachträglich korrigiert. (…) Das systematische ‚Liegenlassen‘ /nachträgliche Eingabe von Fällen bietet eine Möglichkeit die 7-Tage-Inzidenz zu manipulieren. Es sind zahlreiche Maßnahmen daran geknüpft“ (15.01.2021). Eine 7-Tage-Inzidenz von mindestens 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen diente im April 2021 als Rechtfertigung, die Bundesnotbremse zu verhängen mit unterschiedlichen Ausgangssperren je nach Bundesland.


Spahn-Vorgabe: „Testen, testen, testen“

Auch beim Einsatz von PCR- und Schnelltests ist man beim RKI bemüht, nicht ins Hintertreffen zu geraten. Schon früh wurde von politischer Seite die Ausweitung der Tests propagiert – offensichtlich verlief das messbare Infektionsgeschehen zu langsam:
„BMG Papier ‚testen, testen, testen‘ (…) Papier kommt von Jens Spahn, Arbeitsebene wurde vorab nicht stark eingebunden“ (22.04.2020).

Protokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 22.04.2020 (Ausschnitt, Quelle: RKI). Zum Vergrößern bitte hier klicken.

Zur Einordnung des Spahn-Papiers: „‘Testen, testen, testen‘ ist im Grunde eine implizite Strategieergänzung, die von Politik vorgegeben wurde. Insgesamt heikel, da die Politik Vorgaben gemacht hat, mit denen in manchen Punkten nicht ganz übereingestimmt wird.“ (07.05.2020)

Knapp zwei Wochen später hießt es: „Bericht zum Termin im BMG mit Gesundheitsminister Spahn und MdB Lauterbach zum Thema Teststrategien. Minister war pro Schnellteste auch als Hometests zum freien Verkauf (…) Isolation und Quarantäne werden vom Minister und Lauterbach vermischt. (…) Flurgespräch mit Minister Spahn: Dieser wünscht zum Anf. Oktober Änderung der Quarantäneregelung unter Einbeziehung von Antigentests. Hier gilt es das Institut durch Vorabkommunikation und Gesprächsnotiz zu schützen“ (11.09.2020).

„Im Kanzleramt (Hr. Braun) gibt es Bestrebungen eine zweiarmige Teststrategie umzusetzen. Einerseits soll sich jeden Bürger mind. 1-2 pro Woche Selbst testen (Schnelltest) können und auf der anderen Seite soll der Zugang zu best. Einrichtungen und Veranstaltungen durch Testung (Schnelltest) ermöglicht werden. Das würde über 100 mio Tests pro Woche bedeuten und viele Fragen (wie praktisch eine Bestätigung erfolgen soll) aufwerfen. (…) Dieses Vorgehen würde die Inzidenzen verändern, da wir aktuell von Untererfassung ausgehen und die aktuellen Grenzwerte wären damit hinfällig. Es würde die aktuelle Teststrategie verzerren. Die Lage könnte nicht mehr beurteilt werden. Das scheint auf Fachebene im BMG klar zu sein. (…) Es braucht eine Erfassung der Gesamtzahl der Testungen und Anteil der negativen Testungen“ (01.03.2021).

Das RKI sieht die drohende Schieflage, seine Führung verkneift sich aber jeden öffentlichen Widerspruch. Antigentests bzw. Schnelltests wurden später unter dem Gesundheitsminister Lauterbach weitgehend zur Voraussetzung von PCR-Tests gemacht (5) – und trieben gemeinsam die Inzidenzen durch u. a. eine unklar hohe Rate an falsch-positiven Testergebnissen in die Höhe.

Bei der Frage nach der Ausweisung von Risikogebieten sieht sich das RKI von der Politik übergangen:

„Umfangreiche Änderungen: RKI bei allen Änderungsvorschlägen im Vorfeld nicht mit einbezogen worden; besonders zum Reiseverkehr und Aussteigerkarten (…) Wie befürchtet Rolle des RKI nicht nur als Technischer Berater, sondern im Gespräch deutlich geworden, dass Tool [DEMIS (6)] soll inhaltlich vom RKI betreut werden (…). Damit kommt RKI noch stärker in den Fokus und wird in der Verantwortung gesehen für die Ausweisung der Risikogebiete; Keine Ergänzungen, sehr verärgert, dass wir nicht einbezogen wurden“ (16.10.2020)

Das RKI befürchtet, den schwarzen Peter bei der Ausweisung von Risikogebieten zugespielt zu bekommen. Wenige Monate später übernehmen die Ministerpräsidenten der Länder – ohne Rücksprache: „In MPK Konferenz wurden ‚Hochrisikogebiete‘ beschlossen. Diese sind bisher nicht klar definiert (…) Initiative kam nicht vom BMG (teilt unsere Einschätzung). Thema wird wohl erneut auf Ministerebeneniveau diskutiert“ (08.01.2021).

Auch bei der Frage, ob Geimpfte und Genesene gleichrangig zu behandeln sind, gibt es Differenzen:

„Coronaeinreise-VO [Verordnung], steht RKI weiter dazu wie in Erlassbericht vom 22.12.2020, in dem für Geimpfte und Genesene Ausnahme der Quarantäne bewilligt werden soll? Testung vs. Quarantäne: sollten diese Personen auch keinen Test vor und nach Einreise vorweisen müssen? Politisch ist dies vom Minister nicht gewollt, [geschwärzt] weist darauf hin, dass dies für Genesene bereits gilt, für Geimpfte sollte es rechtlich gleich sein (ansonsten sind Klagen wahrscheinlich)“ (08.01.2021).


Das RKI wusste früh: Kinder sind keine Treiber der Pandemie

Anfangs imponiert China mit seinen umfangreichen restriktiven Maßnahmen. Das RKI über eine chinesische Studie: „Kinder 2% der Fälle in großer Studie, Kinderkrankenhaus bestätigt alle ohne Komplikationen; auch in Trans-missionsketten nicht prävalent; Schulen, Kitas stehen nicht im Vordergrund, Kinder keine wichtigen Glieder in Transmissionsketten“ (26.02.2020). Man wusste also von Beginn an, dass Kinder keineswegs Treiber der Pandemie sind.

Protokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 26.02.2020 (Ausschnitt, Quelle: RKI). Zum Vergrößern bitte hier klicken.

Mangels Evidenz gibt es auch Vorbehalte gegenüber Schulschließungen: „Es ist unklar was die Konsequenz ist wenn die Schulen jetzt für 4 Wochen schließen, ggf. kommt bei Wiedereröffnung zu einer verstärkten Aktivität (…) Auch im ECDC [European Centre for Disease Prevention and Control] Webinar wurde gesagt, dass es derzeit keine genauen Daten zu Kindern gibt. (…) Herr Spahn hat angeordnet, dass eine Passage zu Schulschließungen in die Kriterien für die Risikoeinschätzung von Großveranstaltungen eingefügt wird“ (13.03.2020).

„Rolle von Kindern bei der Übertragung von SARS-CoV-2 Systematic review Lancet: Schulschließungen haben vermutlich keinen großen Einfluss auf die Kontrolle der Epidemie gehabt. Cluster of Covid-19 in Französischen Alpen: ein infiziertes Kind hatte Kontakt zu 150 weiteren Personen und hat keines davon nachweislich angesteckt (…) Zunehmend Studien in Europa: (…) Kinder haben keine anderen Personen infiziert, Weitergabe der Infektion erst in höheren Altersgruppen“ (24.04.2020).

Trotzdem werden die Schulen wiederholt geschlossen. Bereits im Herbst des Jahres sind erste Folgen sichtbar: „Mitarbeiter der GÄ [Gesundheitsämter] melden sich bei Hotline wegen vermehrter psychischer Belastung; in der Bevölkerung geben eher junge Menschen eine hohe psychische Belastung durch die Pandemie an (…) (16.10.2020).

„Kritisch diskutiert wird Maskenpflicht für Grundschüler, evtl. Langzeitfolgen. Einzelschicksale: Depressionen, Suchtmittelkonsum steigen“ (21.10.2020).

Neben Kindern und Jugendlichen sind es vor allem ältere Menschen in stationärer oder häuslicher Pflege, die unter Abstands- und Isolierungsmaßnahmen leiden. Wie schlimm dies von den betroffenen Menschen empfunden wird, ist im RKI-Protokoll vom 2. Mai 2020 zu lesen: „Kollateralschäden: Insbesondere alte und hochalte Personen in häuslicher Pflege oder entsprechenden Einrichtungen formulieren, dass sie die Kollateralschäden der sozialen und physischen Distanzierung als schlimmer empfinden als ihre Angst vor einem möglichen Tod an COVID-19“.

Protokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 02.05.2020 (Ausschnitt, Quelle: RKI). Zum Vergrößern bitte hier klicken.

Aufgrund von Besuchsverboten sind in Deutschland während der Pandemie rund 313.000 Menschen allein und ohne Beisein ihrer Familien in Krankenhäusern verstorben. (7)


Weltweiter Zugang zu Impfstoffen – für Deutschland kein Thema?

Bezeichnend ist ein Eintrag kurz nach Beginn der Impfkampagne: „Viele afrikanische Länder haben Probleme, an Impfstoff zu kommen, sollte das RKI eine Stellungnahme vorbereiten? (…) Deutschland steht nicht wirklich hinter der COVAX Initiative (…) BMG plant nichts zu tun“ (08.01.2021).

COVAX (Covid-19 Vaccines Global Access) ist eine von der WHO mit den Impflobby-Organisationen GAVI (8) und CEPI („Impfstoffe in 100 Tagen“ (9)) ins Leben gerufene Initiative. Ihr Ziel: der weltweite Zugang zu Impfstoffen. Der Vermerk des RKI, wonach Deutschland die Initiative wohl nicht unterstütze, lässt Deutschlands Rolle bei den jüngsten Verhandlungen der WHO zu einem globalen Pandemievertrag und den beschlossenen Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften in einem anderen Licht erscheinen.

Einer der Hauptstreitpunkte im Vorfeld der Verhandlungen betraf den Zugang zu Impfstoffen: Während die Industrieländer (und die dort ansässigen Impfstoffhersteller) sich gegen die Lockerung von Patentrechten bei Impfstoffen aussprachen, forderten ärmere Länder außerdem Preisnachlässe bei Impfstoffen. Nicht zuletzt dieser Konflikt sorgte dafür, dass die Internationalen Gesundheitsvorschriften und der Pandemievertrag auf der Kippe standen (was auch aus anderen Gründen zu begrüßen wäre) (10). Es wäre interessant zu wissen, inwiefern das RKI hier einer Fehleinschätzung unterliegt oder sich die Position Deutschlands gegenüber COVAX seither geändert hat, etwa durch den später ins Amt gekommenen Gesundheitsminister Lauterbach.

Auch bei der Impf-Priorisierung steht die fachliche Expertise dem politischen Willen entgegen: „Haltung zur Priorisierung der Lehrerschaft: wird aus fachlichen Gründen abgelehnt, ist eine politische Entscheidung.“

Protokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 22.02.2021 (Ausschnitt, Quelle: RKI). Zum Vergrößern bitte hier klicken.

Es folgt der „Hinweis: Gesetzesänderung ist bereits formuliert: Grundschullehrkräfte sollen zunächst geimpft werden“ (22.02.2021).

Ähnliches gilt für das Thema Quarantäne im Gesundheitswesen. So heißt es in einem Eintrag nach Beginn der Impfkampagne: „Quarantäne für geimpftes Gesundheitsfachpersonal (HCW): BL [Bundesländer] sprechen sich gegen großzügige Quarantäne für HCW aus, befürchten personelle Engpässe (…) KP[Kontaktpersonen]-Management-Empfehlungen stets getrieben von Wünschen der BL und des BMG“ (17.03.2021).


Wieler als Ko-Autor eines Gates-Papiers

Von Beginn an wurden Impfungen als der Königsweg aus der Pandemie ausgewiesen. Insbesondere die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung trat früh mit großen Investments hervor. Dem RKI bleibt dies nicht verborgen: „Gates Foundation stellt 100 Mio. USD für nCoV [neues Coronavirus; frühe Bezeichnung für SARS-CoV-2] zur Verfügung“ (07.02.2020) und „Es gab eine Gates-Stiftung Spende an die Charité (Virologie)“ (27.04.2020). Anstatt jedoch eine kritische Haltung einzunehmen – die dünne Evidenzlage zur Wirksamkeit von Impfungen bei viralen Atemwegserkrankungen wäre plausibel darstellbar gewesen –, agiert man im Sinne der Impflobby.

Zu geplanten Aktivitäten der Stiftung im Rahmen der Risikokommunikation zeigt man sich offen: „Gates Foundation: auch Aktivitäten im Bereich Risikokommunikation geplant, über Mobilfunknetzwerk können statt Werbung auch Gesundheitshinweise verbreitet werden. Kommentar: die Inhalte der Risikokommunikation in Abstimmung mit Experten der WHO erstellen (globale Strategie der WHO, Anpassung durch Anthropologen)“ (11.02.2020). Leuten wie dem sogenannten „Anthropologen“ Bill Gates wird sogar das letzte Wort eingeräumt.

Diese Haltung mündet in eine Zusammenarbeit: „Gates Foundation Papier: Das Papier greift den epidemiologischen Verlauf und Management von 3 Ländern weltweit auf, die als Best Practise Beispiele gewürdigt werden, darunter DEU. Als Co-Autoren sind Herr Wieler [zuvor geschwärzt] und [geschwärzt] vorgesehen“ (29.05.2020). RKI-Chef Lothar Wieler erhält die Möglichkeit, Hand in Hand mit einer Impf-Lobbyorganisation die restriktive Pandemiepolitik Deutschlands und damit auch sich selbst und sein Institut zu loben.

Politische Einflussnahme auf das RKI, massive Widersprüche zwischen eigener Expertise und Rechtfertigung von Maßnahmen nach außen, dazu eine unangemessene Nähe zu Impfstoffherstellern legen den Schluss nahe: Von Beginn der Pandemie an war es das vorrangige Ziel, einer nationalen Impfkampagne den Weg zu ebnen. Dem RKI fiel dabei die Rolle zu, der Politik den wissenschaftlichen Rahmen für die zahlreichen Maßnahmen zu liefern wie Lockdowns, Ausgangssperren, Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen, Masken- und Testpflicht, Einschränkung von Berufsfreiheit und Versammlungsfreiheit.

Lesen Sie im 2. Teil, warum das RKI zu Beginn der Impfkampagne nichts über die Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe wissen konnte.

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