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Einrichtungsbezogene Impfpflicht: BVerfG hält Verfassungswidrigkeit für nicht ausreichend begründet

Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Richtervorlage des Verwaltungsgerichts Osnabrück zur erneuten verfassungsgerichtlichen Prüfung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht für unzulässig.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat festgestellt, dass die Richtervorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Osnabrück vom 3. September 2024 zur erneuten Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht unzulässig ist. Den Beschluss vom 29. Januar 2025 gab das Karlsruher Gericht am 20. Februar 2025 bekannt.

Die Entscheidung wurde von der 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG getroffen. Diesem Senat gehört auch der Berichterstatter und Richter am BVerfG Prof. Dr. Henning Radtke aus dem vorangegangenen Verfahren des BVerfG zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht an, deren Verfassungsmäßigkeit mit Beschluss vom 22. April 2022 durch das Gericht bestätigt worden war.

Eine Pflegehelferin hatte gegen ein vom Landkreis Osnabrück 2022 ausgesprochenes Betretungs- und Tätigkeitsverbot in einer Klinik wegen Fehlens eines Immunitätsnachweises vor dem VG Osnabrück geklagt. Das VG war aufgrund der Protokolle des Corona-Krisenstabs im Robert Koch-Institut (sog. RKI-Files) und einer Vernehmung von RKI-Präsident Lars Schaade zu der Überzeugung gelangt, dass der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung aufgrund gleichwertiger Virusübertragung durch geimpfte Personen ab Oktober 2022 nicht mehr erreicht werden konnte. Es hatte das Verfahren ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht angerufen.

VG Osnabrück: Impfpflicht war im Herbst 2022 verfassungswidrig

Das VG ist der Auffassung, das entsprechende Gesetz sei im Laufe des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen, da dem RKI der geschwundene Übertragungsschutz der Impfung unter Omikron spätestens im Oktober bekannt gewesen war. Aufgrund seiner Weisungsgebundenheit gegenüber dem Gesundheitsministerium hatte das RKI den Gesetzgeber aber nicht informiert. Bei unabhängiger und umfassender Information des Gesetzgebers wäre es diesem möglich gewesen, das Gesetz vor Ablauf seines Geltungszeitraums (bis 31. Dezember 2022) aufzuheben, wozu er auch verpflichtet gewesen sei.

Gegenüber dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2022, mit dem die Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht bestätigt worden war, lägen neue Tatsachen vor. Da die Impfung nicht mehr in herausgehobener bzw. verstärkter Weise zum Schutz vulnerabler Personen beigetragen habe, hätte das Gesetz seine Eignung für den angestrebten Zweck verloren. Jedenfalls seien regelmäßige Testungen ein milderes genauso geeignetes Mittel gewesen. Der Maßnahme fehle daher die Erforderlichkeit.

BVerfG: Übertragungsschutz war reduziert, aber vorhanden

Nach Ansicht des BVerfG hat das VG seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügend begründet. 

Ein Gesetz ist erst dann wegen fehlender Eignung verfassungswidrig, wenn es die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt. Hier sei aber das VG selbst von einem vorhandenen Übertragungsschutz ausgegangen, den die Impfung auch im Jahr 2022 weiterhin vermittelt habe. Dass dieser reduziert gewesen sein soll, könne von vornherein nicht die Geeignetheit im verfassungsrechtlichen Sinne infrage stellen.

Das VG habe sich auch mit der Entscheidung des BVerfG vom 22. April 2022 nicht inhaltlich befasst. Denn in dieser sei ausdrücklich gewürdigt worden, dass der über eine Impfung (oder Genesung) vermittelte Immunschutz über die Zeit abnehme. Auch mit den Einschätzungen der Ständigen Impfkommission, den Beurteilungen des Paul-Ehrlich-Instituts, den im Gesetzgebungsverfahren eingeholten Expertenmeinungen und einer Vielzahl von fachkundigen Stellungnahmen im Verfassungsbeschwerdeverfahren habe sich das VG in seiner Begründung nicht befasst. Es habe sich dabei von vornherein weiteren – fachwissenschaftlichen – Einschätzungen verschlossen, soweit es dem Gesetzgeber vorwirft, sich uneingeschränkt auf das Robert Koch-Institut verlassen zu haben.

Das VG habe sich auch nicht mit der fachwissenschaftlichen Erkenntnislage im Jahr 2022 auseinandergesetzt, obwohl im Rahmen der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme auf die Studienlage in diesem Jahr hingewiesen worden sei. Demnach sei die Übertragungswahrscheinlichkeit durch aufgefrischt geimpfte Personen um rund 20 % niedriger gewesen als diejenige bei ungeimpften Personen.

Das BVerfG vermisst auch eine verständliche Begründung des VG, inwiefern „regelmäßige“ Testungen in jeder Hinsicht einer Pflicht zum Führen eines Impf- oder Genesenennachweises eindeutig gleichwertig sein sollen.

Fremdschutz: BVerfG verkennt Bedeutung von Schnelltests

Die Entscheidung des BVerfG zeigt, wie hoch es die Anforderungen an ein In-Frage-stellen seiner Entscheidungen zur einrichtungsbezogenen Impflicht ansetzt, selbst wenn sich die Unsinnigkeit der Maßnahme aufdrängt. Denn wer sich entsprechend der STIKO-Empfehlungen als Mitarbeiter im Gesundheitswesen geimpft hatte, bei dem lag im Herbst 2022 die 3. (Auffrisch-)Impfung bereits ein gutes Jahr zurück. Nicht zuletzt aufgrund der Omikron-Varianten konnte im Herbst 2022 von keinem relevanten Drittschutz durch die Impfung mehr ausgegangen werden.

Dass aus diesem Grund beispielsweise tägliche Schnelltests vor Arbeitsbeginn ein effektiveres und auch milderes Mittel zum Fremdschutz für vulnerable Patientinnen und Patienten gewesen wären, liegt angesichts des Cochrane-Reviews vom 27. Juli 2022 auf der Hand: Dort wurde bei symptomlosen Personen bei 55% der Infizierten eine Infektion (aufgrund PCR-Test) erkannt (bei symptomatischen Personen 73%).

Demgegenüber hatte der Zeuge M. vor dem VG Osnabrück ausgesagt, dass Studien aus dem Jahre 2022 durchweg zu dem Ergebnis gekommen seien, dass unabhängig von der Variante die Übertragungswahrscheinlichkeit durch aufgefrischt geimpfte Personen um – nur – rund 20 % niedriger gewesen sei als diejenige von ungeimpften Personen.

In seinem Beschluss vom 22. April 2022 war das BVerfG ohne jede Beweiserhebung und ohne fachwissenschaftlichen Vergleich des Fremdschutzes der Impfung mit dem von Schnelltests davon ausgegangen, dass Schnelltests aufgrund ihrer Fehleranfälligkeit der Impfung hinsichtlich Fremdschutzes unterlegen seien. Dabei hatte es lediglich auf die Fehleranfälligkeit der Schnelltests abgestellt, aber weder das Ausmaß des Impfversagens im Sinne eines Fremdschutzes noch dessen Nachlassen verglichen, geschweige denn quantitativ in ein Verhältnis gesetzt.

Für die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) erklärt der Vorstandssprecher Dr. med. Alexander Konietzky:

„Die Zurückweisung durch das Bundesverfassungsgericht bedeutet nicht, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Herbst 2022 verfassungskonform gewesen ist. Nur die Begründung, warum dies nicht so gewesen sein soll, wurde bemängelt. Von daher wäre es nun an der Reihe, eine solche Begründung auf eine wissenschaftlich solide Basis zu stellen und einen neuen Anlauf zu starten.“

ÄFI hatte seinerzeit vor dem Bundesverfassungsgericht als einziger sachkundiger Dritter darauf hingewiesen, dass es im Zulassungsverfahren der COVID-19-Impfstoffe überhaupt nicht um den durch eine Impfung vermittelten Fremdschutz, sondern nur um den eigenen Schutz vor der Erkrankung gegangen sei. Es habe keine Evidenz für eine noch im Herbst 2022 bestehende Wirksamkeit einer zum Beispiel im Frühjahr 2022 durchgeführten Impfung gegeben.

Das Gericht war jedoch der Mehrheitsmeinung der Sachverständigen gefolgt und ließ auch ergänzende Schriftstücke, die ÄFI beibrachte und welche die neueste Studienlage berücksichtigten, unbeachtet.

 

Juristische Fachberatung: Bernhard Ludwig, Rechtsanwalt für Medizin- und Gesundheitsrecht (Rechtsanwälte Keller & Kollegen)

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