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Die geschwärzten Aussichten des RKI
„Am WE [Wochenende] wurde eine neue Risikobewertung vorbereitet. Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald [geschwärzt] ein Signal dafür gibt.“ So lautet der Vermerk vom 16. März 2020 aus dem Protokoll des Krisenstabs am Robert Koch-Institut (RKI). Noch am Freitag, 13. März, hatte man keine Veranlassung für eine Hochstufung gesehen: „Aktuelle Risikobewertung bleibt bestehen.“
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 13.03.2020 (Ausschnitt, S. 6, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 16.03.2020 (Ausschnitt, S. 6, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
Wie also kam es zu der neuen Lageeinschätzung? Wer hat das „Signal“ für ihre Veröffentlichung gegeben, in deren Folge die zahlreichenden freiheitseinschränkenden Maßnahmen (Lockdowns, Ausgangssperren, Schulschließungen, Kontaktverbote, Quarantänen) verhängt wurden? Wer hat damit den Weg geebnet für die 2G-/3G-Maßnahmen, für die Corona-Impfungen und die Impfpflicht?
Wissenschaftlichkeit auf Zuruf?
Dass die Öffentlichkeit überhaupt von dem Vorgang erfahren hat, ist dem Online-Magazin Multipolar zu verdanken. Es hat die geheim gehaltenen Protokolle nach jahrelangem Rechtsstreit freigeklagt. Allerdings hat das RKI mehr als tausend Stellen schwärzen lassen. Lediglich die höherrangigen Mitglieder des Krisenstabs, allen voran Präsident Lothar Wieler und sein Vize Lars Schaade, mussten nach einem Gerichtsbeschluss genannt werden.
Mit der Veröffentlichung des Vorgangs am 18. März 2024, gefolgt von der Veröffentlichung sämtlicher RKI-Protokolle für den Zeitraum Januar 2020 bis April 2021 zwei Tage darauf, zeigt sich: Intern hat das RKI durchaus nach wissenschaftlichen Maßstäben gearbeitet und differenziert die jeweilige Lage erörtert. So wurden regelmäßig weltweite Daten zum Infektionsgeschehen oder zu Todesfällen gesammelt, internationale Studien in die Diskussionen einbezogen. Die Frage stellt sich allerdings, wieso das RKI in der Öffentlichkeit nicht so differenzierend auftrat und seinen oft profunden Wissensstand für sich behielt.
Dabei hatte sich das RKI in den ersten gut zwei Monaten bis Mitte März 2020 weitgehend moderat durch die Krise bewegt. So heißt es angesichts des neuartigen Coronavirus (nCoV): „Es besteht aktuell kein Anpassungsbedarf der Risikobewertung“ (29.01.2020) oder „Risikobewertung: Aktuell kein Anpassungsbedarf, bleibt bestehen“ (30.01.2020). Selbst als Deutschland die ersten beiden Todesfälle zu vermelden hat, bleibt man bei der Risikoeinschätzung gelassen: „Kein Anpassungsbedarf“ (11.03.2020).
Am 17. März 2020 wird die neue Risikobewertung öffentlich gemacht: „In dem heutigen Pressebriefing hat [geschwärzt] über die geänderte Risikoeinschätzung informiert. Durch den starken Anstieg der Fallzahlen wird die Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung jetzt als ‚hoch‘ eingestuft.“
Keine Dokumente, die neue Risikobewertung begründen
Die Multipolar-Redaktion hat vom RKI auch die Unterlagen angefordert, auf deren Basis diese Entscheidung fußte. Durch seine Anwälte ließ das RKI erklären, dazu gebe es keine „weiteren Dokumente“ im Hause. Die Journalisten folgern daraus, dass die Vorgabe zum Kurswechsel von außerhalb des RKI gekommen sein muss.
Klarheit über diesen zentralen Punkt würde wohl nur eine Offenlegung der geschwärzten Textstellen bringen. Multipolar klagt vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf die Aufhebung der Schwärzungen, die Verhandlung darüber ist für den 6. Mai angesetzt. Die Anwälte des RKI haben inzwischen beantragt, den Termin zu verschieben, da sie „zeitlich verhindert“ seien. Laut dem Magazin war ihnen der Gerichtstermin seit Januar bekannt. Das RKI selbst erklärte, dass sich hinter der Schwärzung der Name eines eigenen Mitarbeiters verberge.
Am 28. März hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt, die Protokolle nun „entschwärzen“ lassen zu wollen: „Ich habe jetzt gestern veranlasst, dass die Protokolle weitestgehend entschwärzt werden sollen“, sagte er im Deutschlandfunk. Allerdings müsse das RKI hierfür jeden, der bzw. dessen Interessen in den Protokollen genannt werden, um Erlaubnis bitten. Dies könne „vielleicht vier Wochen“ dauern, „aber da kann eine deutlich stärker entschwärzte Variante vorgelegt werden“, so der Minister.
„Update Impfung“ vollständig geschwärzt: Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 19.03.2021 (Ausschnitt, S. 6, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
Auch Bastian Barucker hat eine Anfrage an das RKI bezüglich der Herausgabe der restlichen Protokolle ab 30. April 2021 gerichtet. Seine Anfrage war zwischenzweitlich depubliziert worden.
Zahlreiche Vermerke im Widerspruch zur Corona-Politik
Neben den genannten überraschen auch andere Vermerke in den Ergebnisprotokollen des RKI. Nachfolgend eine – notgedrungen bruchstückhafte – Auswahl zu solchen Vermerken, die das Thema Impfen und Impfungen betreffen:
Über die Corona-Impfungen:
- Ende 2020 läuft die Impfkampagne auf breiter Ebene an. Inzwischen rücken die Varianten des ursprünglichen Wuhan-Virus in den Blickpunkt. Über die Variante GB VOC 202012/01 heißt es: „3-facher Anstieg der 14-Tage-Melderate. Viele genetische Veränderungen, besonders im Spike-Protein. Variante führt nicht zu schwereren Verläufen und höherer Fallsterblichkeit, aber zu höherer Übertragbarkeit“ (08.01.2021).
- Zur Einführung des Vektorimpfstoffes Vaxzevria von Astra Zenica wird vermerkt: „Kein Selbstläufer wie die anderen da Impfstoff weniger perfekt ist. Einsatz muss diskutiert werden. Möglicherweise Beschränkungen da Daten für ältere Personen sehr begrenzt sind“ (08.01.2021).
„EMA bearbeitet gleichzeitig die Zulassung [für Vaxzevria?] für die EU, wahrscheinlich wird in EMA-Empfehlung die Altersgrenze nach oben offen gelassen, aber ggf. mit Warnhinweisen versehen, dass bei >55-Jährigen die Evidenz unzureichend ist (…) Begleitkommunikation wird vorbereitet, Wirksamkeit mit 70% signifikant niedriger, mit Impfstoff wird v.a. Gesundheits- und Pflegepersonal geimpft (…) Problematik der Deutung als 2-Klassen-Impfstoff, Vergleiche zu anderen Impfstoffen schwierig, besser Argumentation: jetzt Schutz mit 70% vs. potentielle Exposition und danach Impfstoff mit höherer Wirksamkeit“ (29.01.2021).
Am 29. Januar erhielt Vaxzevria in der EU eine bedingte Zulassung. Mitte März 2021 wurde die Verabreichung für wenige Tage unterbrochen, da der Impfstoff für das Auftreten von Hirnvenenthrombosen verantwortlich gemacht wurde.
Dem RKI sind die Nebenwirkungen offenbar bekannt: „Medien berichten vermehrt Nebenwirkungen (NW), dies ist nicht ganz überraschend, NW-Profil ist bekannt. Es werden mehr jüngere Erwachsene geimpft, diese sind häufig reaktogener als ältere Menschen“ (19.02.2021).
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 19.02.2021 (Ausschnitt, S. 8, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
- Zur Evidenz der Impfungen und die Frage einer Quarantäne für geimpfte Menschen: „Impfstoffwirkung ist noch nicht bekannt, Dauer des Schutzes ist ebenfalls unbekannt, Evidenz ist aktuell nicht genügend bezüglich Reinfektion und Ausscheidung (für Genesene und Geimpfte). Es sind keine Ausbrüche bekannt, die von Reinfizierten ausgehen, diese scheinen nicht den gleichen Beitrag zur Gesamtausbreitung zu haben wie Erstinfizierte. Wir müssen noch Erfahrungen mit Geimpften sammeln“ (08.01.2021).
- Zur Unterscheidung von ungeimpften und geimpften Personen: „Es gibt keine Evidenz, dass einmal Genesene wesentlich zur Transmission beitragen, Quarantänepflichtausnahme kann für diese bestehen bleiben. Das gleiche für Geimpfte zu behaupten ist nicht möglich, diese sollten weiterhin keinen Sonderstatus erhalten“ (08.01.2021).
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 08.01.2021 (Ausschnitt, S. 10, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
„Gilt die bisherige Haltung des RKI, keine Ausnahmen für Geimpfte und Genesene zu machen weiter? (…) Hohe Dunkelziffer, es ist fachlich nicht begründbar und nicht sinnvoll, ein „opportunity sample“ (die Getesteten, die eine Infektion nachweisen können) mit Privilegien denen gegenüber, die es nicht oder nicht mehr (abhängig von AK Test und Zeitspanne, die vergangen ist) nachweisen können“ (05.03.2021).
Zur Frage der Reinfektion nach Erkrankung und nach Impfung: Eine Studie aus Israel zeige: „Geimpfte ähnlich gut geschützt vor Reinfektion wie nach durchgemachter Erkrankung“ (19.02.2021).
Dabei wurde die Impfung stets als einer natürlichen Infektion überlegen dargestellt. An diesem Punkt scheint man beim RKI zu zweifeln. Unter Diskussion ist vermerkt: „Gibt es Hinweise, dass Impfung höhere Immunität bewirkt als natürlich Infektion? In Zulassungsstudien werden in Kontrollgruppen oft Seren von Rekonvaleszenten benutzt. Bei mRNA Impfstoffen ist die Effektivität höher bei Infektion, bei Astra Zeneca ähnlich (ist dies richtig?). In Studien keine Aufteilung in milde/schwere Fälle. Korrelat für Schutz ist noch nicht optimal etabliert, höhere neutralisierende Ak [Antikörper] sind mit Schutz gleichzusetzen“ (19.02.2021).
„Wie soll mit Genesenen umgegangen werden? Es ist nicht überzeugend, für Geimpfte Ausnahmeregelungen zu schaffen und nicht auf die Genesenen einzugehen. Aber: Impfung schafft eine standardisierte Situation, Situation der Genesenen ist zeitlich und durch unterschiedliche Schweregrade nicht standardisiert. (…) Lösung: STIKO empfiehlt (datenbasiert), Genesene nur 1.x zu Impfen, daher sollen die Quarantäneausnahmeregeln für vollständig Geimpfte und Genesene, die eine Impfdosis erhalten haben empfohlen werden“ (10.03.2021). - Zum Impfzertifikat heißt es: „Das Impfzertifikat soll die Erfassung von Impfwirkung, Spätfolgen etc. ermöglichen, nicht Grundlage für Kategorien und Vorrechte sein“. Spätfolgen der Impfung gab es offiziell gar nicht. Die WHO lehne das Zertifikat übrigens ab: „WHO befürwortet die Zertifikate nicht: Lack of data, keine Fälschungssicherheit, ethische Gründe (Diskriminierung)“ (05.03.2021 – Hervorhebungen: ÄFI). Die Corona-Impfungen wurden gebetsmühlenartig als sicher und nebenwirkungsfrei beworben. Offenbar war man sich von Beginn der Impfung darüber im Klaren, dass es „Spätfolgen“ geben könnte.
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 05.03.2021 (Ausschnitt, S. 7, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
- Nach fast vier Monaten Impfung scheint man sich über den Erfolg der Impf-Kampagne nicht sicher zu sein: „Noch ist nicht zu sehen, dass aufgrund des Impfeffekts weniger alte sterben? Ist es zu früh? Sterben geimpfte? Die Kurven müssen nah beobachtet werden. Es ist eher beruhigend, wenn der Altersmedian der Sterbefälle sich nicht verschiebt. Das Hauptrisiko, an COVID-19 zu sterben, ist das Alter. Es sterben wahrscheinlich weniger alte, dies sollte sich jedoch nicht im Altersmedian widerspiegeln“ (19.03.2021)
- „Vertrauen wir bei Impfung nur auf individuellen Schutz vor schwerer Erkrankung? Verabschieden wir uns vom Narrativ der Herdenimmunität durch Impfung? Verhinderung von Infektionen: bei mRNA-Impfstoffen nur Daten aus Tierversuchen, bei Astra Zeneca beim Menschen nicht ausreichend, Konfidenzintervall zu groß > nicht interpretierbar. Es wird vermutet, dass Impfung einen Herdeneffekt hat“ (08.01.2021 – Hervorhebung: ÄFI).
Wie beim Thema Impfen/Impfungen weisen die Protokolle auch bei anderen Fragestellungen eine Diskrepanz zwischen RKI-internem Wissen und Problembewusstsein und dem auf, was in der Öffentlichkeit vertreten wurde. Nachfolgend auch hierzu einige Beispiele:
Über Medikamente gegen COVID-19:
- „Neue Studie zeigt Chloroquin Wirksamkeit in der Therapie, reduziert Krankheitsschwere, Evidenz verhärtet sich, ist inhaltlich plausibel“ (24.02.2020).
- „Studien zur Therapie sind noch nicht abgeschlossen. 3 Medikamente stünden zur Verfügung: Remdesivir, Kaletra und Chloroquin“ (27.02.2020).
- „Der Einfluss von Ibuprofen ist eine interessante Hypothese: gibt es eine Einschätzung von klinischer Seite? (…) es gibt Einzelfallberichte über eine geringe Verschlechterung des Befindens; diese sind mit Vorsicht zu genießen“ (18.03.2020).
Die Experten des RKI hatten also auch medikamentöse Therapieoptionen im Blick. Doch in der Öffentlichkeit wurde ausschließlich die Impfung propagiert.
Über den exponentiellen Anstieg von Infektionen:
- Zum Ausbruch in den chinesischen Provinzen ist vermerkt: „(…) es ist kein exponentieller sondern eher ein linearer Anstieg zu sehen (…)“ (05.02.2020).
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 05.02.2020 (Ausschnitt, S. 5, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
Erst kürzlich hat der Soziologe Heinz Bude, 2020 Mitverfasser des Strategiepapiers des Bundesinnenministeriums über Wege zur Erzeugung von Angst in der Bevölkerung, bei einer Podiumsdiskussion erklärt, dass es sich bei dem Slogan von der abzuflachenden Kurve bei den Infektionszahlen nur um ein „wissenschaftsähnliches“ Modell gehandelt habe, um „Folgebereitschaft herzustellen“: „Das war diese Formel ‚Flatten the Curve‘.“ Es ging also weniger um den Wahrheitsgehalt als vielmehr darum, dass das Modell auf die Öffentlichkeit wissenschaftlich wirkte – mit einem „Quasi-Wissenschaftsargument“: „Wir sagen [den Leuten], es sieht so nach Wissenschaft aus, ne?! (…) Man sagt: Wenn Ihr schön diszipliniert seid, könnt Ihr die Kurve verändern“, so Bude. „Das haben wir geklaut von einem Wissenschaftsjournalisten, haben wir nicht selber erfunden.“
Über den PCR-Test:
- „Ein positives PCR-Ergebnis nach Gesundung muss nicht zwangsläufig mit Infektiösität einhergehen“ (03.02.2020).
- „PCR ist für SARS-CoV-2 weniger zuverlässig als für manche andere Erreger, die Spezifizität bei Ringversuchen lag teilweise bei 92% und nicht über 98%“ (19.06.2020). Später jedoch galt ein positiver PCR-Test als Grundlage für Quarantänemaßnahmen.
Über Infektionsschutz und Masken:
- Zur Verwendung eines Mundnasenschutzes (MNS) heißt es: „Evidenz für MNS – keine Studien die Kontraproduktivität belegen/dagegen sind, keine Evidenz dafür.“ Aber: „ECDC [European Centre for Disease Prevention and Control] empfehlen sie nicht für gesunde Personen in der Allgemeinbevölkerung.“ Die Schlussfolgerung: „RKI bleibt dabei: nicht empfohlen in der Öffentlichkeit, in häuslichem Umfeld mit Fall ja, auch zum Schutz anderer“ (26.02.2020).
- Zum Einsatz von FFP2-Masken im Privatbereich heißt es im Herbst des Jahres: „(…) es gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“ (30.10.2020).
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 30.10.2020 (Ausschnitt, S. 10, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
- „Bisherige Studien zur Wirksamkeit von FFP2-Masken sind daran gescheitert, dass Masken nicht oder nicht korrekt getragen wurden, ihr Nutzen sollte auf Arbeitsschutz von Personen die mit infektiösen Patienten arbeiten begrenzt bleiben“ (30.10.2020).
Über Lockdowns:
- Am 16. Dezember 2020 erörtert der Krisenstab die Situation in Afrika: „Anders als erwartet nur geringer Anteil an den weltweiten Fällen (3,4%), nur 3,6% der weltweiten Todesfälle. (…) Woran liegt das? (…) Indirekte negative Effekte des Lockdowns durch Lücken bei der Behandlung von Tuberkulose, Aussetzung von Routineimpfprogrammen. Steigende Kindersterblichkeit zu erwarten. Konsequenzen des Lockdowns haben zum Teil schwerere Konsequenzen als COVID selbst. (…) Inwiefern machen Maßnahmen aufgrund der Sekundäreffekte des Lockdowns überhaupt Sinn?“ (16.12.2020 – Hervorhebung: ÄFI).
Über Kommunikation:
- „Das Argument, dass ältere, gebrechlichere Menschen, die auch ohne COVID-19 zeitnah versterben würden, sollte entschärft werden. COVID-19 sollte nicht mit Influenza verglichen werden, bei normaler Influenzawelle versterben mehr Leute, jedoch ist COVID-19 aus anderen Gründen bedenklich(er)“ (19.03.2021 – Hervorhebung: ÄFI).
Ergebnisprotokoll der RKI-Krisenstabsitzung vom 19.03.2021 (Ausschnitt, S. 4, Quelle: Multipolar). Zur Vergrößerung hier klicken.
- „Sehr viele der Positiven sind falsch Positiv (ja, aber die meisten sind richtig negativ). Nach einem falsch positiven Test macht keiner mehr mit (keine schlechten Erfahrungen mit falsch Positiven: 'Lieber 2 Tage unnötig zu Hause bleiben als andere anstecken.')“ (10.03.2021 – Hervorhebung: ÄFI).
- „Positive Aspekte der Tests betonen (…) Aufforderung: Machen Sie von dem Testangebot Gebrauch und helfen Sie durch selbstverantwortliches Handeln, Infektionsketten zu unterbrechen. Entwicklung eines Narrativs (…) Es ist eine Chance, den Menschen, die keine Verbote und Einschränkungen mehr möchten, eine aktive Rolle im Geschehen anzubieten“ (10.03.2021).
Zur Erläuterung der Schwärzungen in den Protokollen
Neben den Protokollen des Krisenstabs hat die vom RKI beauftragte Anwaltskanzlei Multipolar eine mehr als 1.000-seitige Datei übermittelt, in der zumeist formelhafte Gründe für die Schwärzungen angeführt werden.
Demnach sind es mal geschützte Betriebsgeheimnisse der Impfstoffhersteller, mal Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse von Behörden oder auch Angaben über Kapazitäten des RKI, welche die Schwärzungen notwendig machten. Aus manchen dieser Angaben lassen sich jedoch zumindest ansatzweise Rückschlüsse auf den Inhalt der geschwärzten Passagen ziehen.
Folgende Themen lassen sich hinter den Schwärzungen ausmachen:
Zu den Impfstoffen:
- Informationen zur Wirksamkeit und zur Besorgung von Impfstoffen
- Austausch zu einer weltweiten Impfkampagne
- (Studien zur) Impfbereitschaft
- Informationen zu Effekten der Impfung in anderen Ländern
- Informationen zu Datengrundlagen
Zu den Nebenwirkungen der Impfstoffe:
- Vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen und deren möglichen Ursachen
- Abstimmung von Behörden zum weiteren Vorgehen bzgl. der Empfehlung von bestimmten Impfstoffen
- Informationen zu Studienergebnissen in Bezug auf das vorgeschlagene Vorgehen
- Hintergrundinzidenzen für Nebenwirkungssignale
Zu Kindern:
- Informationen zur intensiv-medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen
- Häufung nicht diagnostizierter inflammatorischer Syndrome bei Kindern aller Altersgruppen
- Erkrankungszahlen bei Kindern unter 10 Jahren
- Quarantäne bei Kindern und die Reaktion der Familienmitglieder darauf
Zu Medikamenten:
- Bestimmte namentlich genannte Medikamente und zugehörige Pharmaunternehmen
- Wirkungsweise und Wirksamkeit namentlich genannter Medikamente
- RKI-interne Abstimmung zu namentlich genannten Medikamenten
- Medikamentenbevorratung
- Supportive Therapie
- Experimentelle Studien zu namentlich genannten Medikamenten und deren Einsatz bei Patienten in einem namentlich genannten Bundesland
- Ob eine bestimmte Art der Testung für ein Medikament durchgeführt wurde
- Einzelheiten zur Zulassung eines Medikaments
- Ausgabe und Verteilung von Medikamenten zur Verhinderung von schweren Verläufen
- Zulassung eines Medikaments zur Behandlung einer Corona-Infektion
Die Schwärzung im besagten Protokoll vom 16. März 2020 – unter TOP 3 wird die neue Risikobewertung angekündigt – wird mit der namentlichen Zuordnung begründet: Betroffenen Personen drohe „eine Stigmatisierung, sodass sie ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten haben. Das Informationsinteresse des Klägers hat (…) dahinter zurückzustehen.“
Die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) plädieren nun für umfassende Transparenz. Der Vorstandssprecher Dr. med. Alexander Konietzky erklärt:
„Die geschwärzten RKI-Protokolle zeigen, dass der deutschen Öffentlichkeit wesentliche Informationen zur Corona-Pandemie vorenthalten wurden und weiterhin werden. Dies betrifft vor allem auch Informationen zu den Corona-Impfungen.
Es sieht so aus, als habe es eine erhebliche Diskrepanz gegeben zwischen dem Fachwissen des RKI auf der einen Seite und den öffentlichen Bekundungen auf der anderen. Die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich hat zahlreiche Existenzen vernichtet, bis heute wird sie in der Bundeswehr aufrechterhalten. Nur knapp ist Deutschland an einer allgemeinen Impfpflicht vorbeigeschrammt.
In jüngster Vergangenheit mehren sich Stimmen, die eine Aufarbeitung der Corona-Krise fordern. Nach der Veröffentlichung der RKI-Protokolle hat die wiederholt vorgebrachte Formel ‚Wir wussten es damals nicht besser‘ ausgedient. Nun sollte die Aufklärung beginnen.
Die Schwärzungen in den Protokollen fördern jedoch nicht das dafür notwendige Vertrauen. Ihre Aufhebung wäre die erste Maßnahme, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen – mit dem Ziel, die gesellschaftliche Spaltung überwinden zu helfen.“
Quellen:
abgeordnetenwatch.de, 2020
Bastian Barucker, 2024
Deutschlandfunk, 2024
Indikativ Jetzt, 2024
Multipolar, 2024a
Multipolar, 2024b
Multipolar, 2024c
Robert Koch-Institut (RKI), 2024