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STIKO empfiehlt Meningokokken-ACWY-Impfung für alle Jugendlichen trotz extrem niedriger Erkrankungszahlen

Die STIKO hat eine Änderung ihrer Impfempfehlung für Meningokokken vorgenommen: Künftig sollen alle Jugendlichen im Alter von 12-14 Jahren eine Meningokokken-ACWY-Impfung erhalten – trotz der extrem niedrigen Zahl invasiver Erkrankungen. Im Gegenzug entfällt die bisherige Impfung gegen Meningokokken C für alle Kleinkinder. Damit stellt sich die STIKO erneut gegen die Empfehlungen der WHO und die Kritik von ÄFI.

Am 30. Oktober 2025 hat die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) ihre Impfempfehlung für Meningokokken geändert. Fortan sollen alle Jugendlichen im Alter von 12-14 Jahren gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W und Y geimpft werden. Damit will man die Krankheitslast und die Zahl der Hospitalisierungen, schweren Krankheitskomplikationen, Behinderungen und Todesfälle verringern.

Die bisherige Impfempfehlung gegen Meningokokken C für alle Kleinkinder, die von 2006 bis zuletzt (insgesamt 19 Jahre) gegolten hatte, entfällt. Eine Meningokokken-ACWY-Impfung für diese Altersgruppe wurde nicht empfohlen, die Indikations-Impfung bleibt bestehen.
 

Impf-Empfehlungen mit unsicherer Evidenz

Für ihre neue Empfehlung stützt sich die STIKO auf unsichere Evidenz: Wie schon bei der Impfempfehlung gegen Meningokokken B für Kleinkinder argumentiert sie auch bei der Impfempfehlung gegen Meningokokken ACWY für Jugendliche auf Basis von Modellierungsstudien zur Verringerung der Krankheitslast und zur Entstehung möglicher Herdeneffekte.

Außerdem stellt sie in ihrem Epidemiologischen Bulletin 44/2025 selbst fest, dass die Inzidenz von invasiven Erkrankungen durch die Serogruppen A, C, W und Y in den letzten zehn Jahren (2015-2024) extrem niedrig lag. Krankheitsfälle würden nur sporadisch auftreten.

So sind dies:

- bei Kindern unter 1 Jahr 0,65/100.000 (ø 5 Fälle pro Jahr),

- bei Kleinkindern im Alter von 1-4 Jahren 0,10/100.000 (ø 3 Fälle pro Jahr),

- bei Jugendlichen im Alter von 15-19 Jahren 0,27/100.000 (ø 11 Fälle pro Jahr),

- bei jungen Erwachsenen im Alter von 20-24 Jahren 0,15/100.000 (ø 7 Fälle pro Jahr).

Die mittlere jährliche Inzidenz der 5-14-Jährigen lag bei weniger als 0,05 Fällen (!) pro 100.000.

Nach wie vor ist die Fallzahl bei der Gruppe der Unter-1-Jährigen, also der Gruppe, die nicht geimpft werden kann, am höchsten und damit relevantesten.

Abbildung: Mittlere jährliche Inzidenz (2015-2024) invasiver Meningokokken-Erkrankungen nach Alter und Serogruppen (Robert Koch-Institut, 2025)

Argumente mit wenig Substanz

Die STIKO argumentiert für ihre neue Empfehlung auch mit einem Anstieg von Erkrankungen in der Serogruppe Y von 0,02/100.000 im Jahr 2015 auf 0,14/100.000 im Jahr 2024. Dabei könnte es sich jedoch um einen nur kurzfristigen epidemiologischen Trend handeln. Vor 2020 war die Serogruppe Y gegenüber der Serogruppe B klar unbedeutender, erst 2023 hat sich ein solcher Wandel vollzogen. Die Daten reichen nicht aus, um von einem dauerhaften Trend zu sprechen – die epidemiologische Lage muss dahingehend weiter beobachtet werden. Dies wurde jedoch von der STIKO zum Anlass genommen, die Impfempfehlung erneut zu evaluieren.

In ihrem systematischen Review zu Studien über die Wirksamkeit gegen Erkrankung sowie Verringerung der Besiedlungsdichte durch die Meningokokken-ACWY-Impfung kommt die STIKO zu dem Ergebnis, dass die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr gering war – sofern die betrachteten Studien überhaupt miteinander vergleichbar waren. Auch wenn die STIKO also eine 90-%-ige Wirksamkeit durch die Impfung feststellt – das Ergebnis ist aufgrund der großen Unsicherheiten kaum aussagekräftig.

Hingegen hat man eine moderate bis hohe Vertrauenswürdigkeit festgestellt in die Evidenz, dass bei der neuen Impfung kein erhöhtes Sicherheitsrisiko im Vergleich zur Meningokokken-C-Impfung vorliegt.

Ein weiteres Problem der neuen Impfung ist der Umstand, dass je nach Serotyp der Anteil der Personen mit ausreichender Immunität (Serokonversionsrate) sehr unterschiedlich ausfällt. Studien mit Teilnehmern im Alter von 11-55 Jahren konnten nach 5 Jahren nur noch einen Impfschutz bei 72 % feststellen. Bei fast 30 % der geimpften Personen kann somit innerhalb weniger Jahre ein primäres (initial keine ausreichende Wirksamkeit) oder sekundäres (nachlassende Wirksamkeit) Impfversagen beobachtet werden.
 

WHO empfiehlt Deutschland nur die Impfung von Risikogruppen

Die neuen STIKO-Empfehlungen stehen auch im Kontrast zu den Impfempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese empfiehlt flächendeckende Impfprogramme gegen Meningokokken (ob C, B oder ACWY) erst ab Erkrankungszahlen von mindestens 10 je 100.000 Fällen im Jahr oder bei häufigen Epidemien, für Länder mit weniger als 2 Erkrankungen je 100.000 Fällen nur die Impfung von Risikogruppen.

In Deutschland liegt die Inzidenz für alle Meningokokken-Erkrankungen und Altersgruppen bei 0,4/100.000 Einwohnern. Demnach benötigt Deutschland, folgt man den WHO-Vorgaben, kein allgemeines Impfprogramm.
 

ÄFI: Meningokokken-Erkrankungen seltener als Impf-Nebenwirkungen

Aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) ist die Streichung der Meningokokken-C-Impfung für alle Kleinkinder richtig, da die Serogruppe C in Deutschland zu keiner Zeit eine besondere Rolle für Kleinkinder gespielt hat.

Das gilt für Meningokokken-Erkrankungen generell: Die Häufigkeit von Erkrankungen ist so gering, dass viele, auch schwerere Impfnebenwirkungen, häufiger auftreten als die Erkrankung selbst (eine Ausnahme ist die Serogruppe B bei den Kindern unter einem Lebensjahr, die jedoch mit den vorhandenen Impfstoffen nicht geimpft werden können).

Zwar ist es verständlich, einen Impfstoff nutzen zu wollen, der mehr Serotypen abdeckt, um beispielsweise Replacement-Effekten (dem häufigeren Auftreten von Serotypen, die nicht von den Impfstoffen abgedeckt werden) vorzubeugen. Die epidemiologische Datenlage sowie die verfügbaren Daten zum Impfstoff sind jedoch nicht ausreichend, um eine allgemeine Impfempfehlung zu unterstützen.

ÄFI hat entsprechend der Änderungen der STIKO-Empfehlungen außerplanmäßig seinen Fachbeitrag zu Meningokokken aktualisiert. Die nächste planmäßige Aktualisierung erfolgt im März 2026.

Weitere Informationen:

ÄFI-Fachbeitrag zu Meningokokken

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