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Rechtliche Hinweise zum Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Die in § 20a IfSG geregelte COVID-19-Impf- bzw. Nachweispflicht läuft zum 31.12.2022 aus und wird nicht verlängert. Zwar sind Behörden und Gerichte nicht verpflichtet, Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Laufende Bußgeldverfahren werden jedoch nicht zwangsläufig eingestellt.

Inzwischen hat auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Auslaufen der Impfpflicht im Gesundheitswesen bestätigt. Seine Begründung lässt allerdings aufhorchen: Angesichts der neuen sich ausbreitenden Virusvariante BQ.1 sei nicht mehr davon auszugehen, dass eine Impfung Dritte vor einer Infektion schützt. Die Begründung für die Teil-Impfpflicht sei damit obsolet.

Dem ZDF sagte Lauterbach wörtlich:

„Die Impfung schützt nicht mehr vor der Ansteckung. Wenn sie nicht mehr vor der Ansteckung schützt, dann gibt es auch keinen Grund mehr dafür in diesen Einrichtungen.“

Vor allem die "neuen Varianten" des Coronavirus seien durch den jetzigen Impfstoff "nicht zu erfassen", so Lauterbach. "Das heißt man kann sich dann trotzdem anstecken, das wird wahrscheinlich auch für die BQ1.1-Variante gelten."

Für eine Verlängerung der Impfpflicht fehlt jegliches Argument

Immunologen wie Carsten Watzl wundern sich laut ZDF-Bericht über diese Begründung: Seit Omikron habe sich nichts verändert, "da muss man nicht auf die BQ1.1-Variante warten", sagt der Leiter des Forschungsbereichs Immunologie an der Technischen Universität Dortmund. "Für eine Verlängerung der Impfpflicht würden jegliche Argumente fehlen. Man könnte sie also einfach so auslaufen lassen."

Zugleich kritisiert Watzl: „Dass man es jetzt mit einem aktuellen Fall begründet, sehe ich etwas problematisch. Die Begründung ist schon seit längerem weg.“

Was bedeuten das Auslaufen der Regelung des § 20a IfSG und die Begründung des Bundesgesundheitsministers nun für die Betroffenen, die sich nicht hatten impfen lassen?

Klar ist: Spätestens ab dem 01.01.2023

  • können keine neuen Tätigkeits- oder Betretungsverbote mehr verhängt werden,
  • können auch keine Immunitätsnachweise betreffend COVID-19 mehr angefordert werden.

Bußgeldverfahren können weiterverfolgt werden

Nicht so eindeutig ist die rechtliche Situation für laufende Bußgeldverfahren: Anknüpfungspunkt des Bußgeldverfahren in Bezug auf die einrichtungsbezogene Impf- und Nachweispflicht ist in der Regel der Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand: innerhalb der vom Gesundheitsamt gesetzten Frist keinen der gesetzlich vorgeschriebenen Nachweise vorgelegt zu haben.

Da das Gesetz bislang nicht für verfassungswidrig erklärt wurde, dass Bundesverfassungsgericht diese Regelung vielmehr mit Beschluss vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21) als seinerzeit verfassungsgemäß gebilligt hatte, können Ordnungswidrigkeiten der Vergangenheit durchaus weiterverfolgt und anhängige Bußgeldverfahren fortgesetzt werden. Dass die Regelungen zur Impfpflicht zum Jahresende auslaufen, führt also nicht automatisch und nicht zwangsläufig zur Einstellung oder Beendigung anhängiger Bußgeldverfahren zu § 20a IfSG.

Allerdings greift für Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich das sog. Opportunitätsprinzip. Anders als bei Straftaten sind Behörden bei Ordnungswidrigkeiten nicht zu deren Verfolgung verpflichtet, die Verfolgung liegt vielmehr im Ermessen der Behörden und Gerichte. Da die Regelung zum 31.12.2022 ausläuft, vor allem aber auch mit Blick auf die Begründung des (mittlerweile) fehlenden Fremdschutzes der COVID-19-Impfung könnten Ordnungsbehörde und Gerichte laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne Weiteres aus Ermessensgründen folgenlos einstellen.

Zeitraum der Ordnungswidrigkeit muss berücksichtigt werden

Es ist ferner zu berücksichtigen, in welchen Zeitraum die verfolgte Ordnungswidrigkeit fiel. Wann endete also die von der Behörde gesetzte Frist, einen Nachweis vorzulegen und wann fand damit die jetzt verfolgte Ordnungswidrigkeit statt?

Wenn dieser Fristtermin deutlich nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 27. April 2022 zur einrichtungsbezogenen Impf- und Nachweispflicht lag, kann in laufenden Bußgeldverfahren zusätzlich argumentiert werden, dass sich schon zu diesem Tatzeitpunkt die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend gegenüber den vom Bundesverfassungsgericht zugrunde gelegten Verhältnissen verändert hatten. Das Bundesverfassungsgericht hatte Staat und Behörden ausdrücklich eine solche „Beobachtungspflicht“ in Bezug auf die weitere Entwicklung der Verhältnisse auferlegt.

Mustertexte für Betroffene und Einrichtungsleitungen

Hierzu verweisen wir auch auf die Argumente und Textbausteine zu den geänderten Verhältnissen, die Sie hier abrufen können:

  • Mustertext für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Anhörung vor Bußgeldbescheid und für Einspruch gegen Bußgeldbescheid
  • Mustertext für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Anhörung vor Tätigkeitsverbot
  • Mustertext für Einrichtungsleitung bei Anhörung vor Tätigkeitsverbot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (oder auch vor Bußgeldbescheid)

Bei Bußgeldern auf der Grundlage von Corona-Maßnahmen, bei denen das Bundesverwaltungsgericht im Nachhinein deren Rechts- und Verfassungswidrigkeit festgestellt hatte, sind auch Anträge auf nachträgliche Aufhebung der Bußgeldbescheide bzw. auf Rückerstattung der gezahlten Bußgelder denkbar. Das betrifft aber nur die Konstellation, dass ein Gericht nachträglich die Rechts- oder Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage festgestellt hat.

So hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 22.11.2022 geurteilt, dass die strengen Ausgangsbeschränkungen des Freistaats Bayern im April 2020 unverhältnismäßig und unwirksam waren. Die zuständigen Minister des Freistaats Bayern haben mittlerweile bestätigt, dass eine Rückzahlung solcher Bußgelder unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei.

Das gilt aber eben nicht für verhängte Bußgelder wegen Verstößen gegen die COVID-19-Impfpflicht, solange kein Gericht die Rechts- oder Verfassungswidrigkeit deren Rechtsgrundlage festgestellt hat. Insoweit besteht nur im Rahmen laufender Verfahren die Möglichkeit, auf eine Einstellung der Verfahren hinzuwirken.

Quellen:

zdfheute, 23. November 2022

BR, 30. November 2022

 

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