- Masern-Impfpflicht
- Politik
Nachträgliche Veröffentlichung der Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht zum Masernschutzgesetz
Zusammenfassende Antwort:
Frage 1
Die Durchimpfungsquoten für Masern sind in Deutschland nach Ansicht nationaler (NAVKO) und internationaler (WHO) Expertengremien auch und gerade im europäischen Vergleich zu international üblichen und empfohlenen Zeitpunkten ausreichend hoch.
Sollte eine weitere Steigerung als Ziel verfolgt werden, gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, die nach Ansicht nationaler und internationaler Fachleute geeignet sind, um eventuelle Impflücken zu schließen.
Der Nationale Aktionsplan zur Elimination der Masern am BMG hält hier in Übereinstimmung mit internationalen Expertenvoten folgende Maßnahmen für sinnvoll:
- Erinnerungs- und recall-Systeme (siehe Fußnoten 58 und 59)
- niederschwellige Impfangebote (KiTa, Schule, Arbeitsplatz), speziell für die von Impflücken besonders betroffenen Erwachsenen
- verbesserte ärztliche Aufklärung über die Notwendigkeit der Masernimpfung für Erwachsene
- catch-up-Impfkampagnen (siehe Fußnote 60) in den von Impflücken besonders betroffenen Geburtsjahrgängen
Keine dieser Maßnahmen wurde nach Ansicht von Expertinnen und Experten bis heute in Deutschland konsequent umgesetzt.
Jede dieser Maßnahmen zur Steigerung der Impfquoten kann sich im Gegensatz zu einer Impfpflicht auf eine umfangreiche wissenschaftliche Evidenz stützen.
Das Verfehlen des dem Masernschutzgesetz übergeordneten Ziels, der Elimination der Masern, ist jedoch nach Ansicht nationaler (NAVKO) und internationaler (WHO) Expertengremien nicht durch zu geringe Impfquoten, sondern durch eine mangelhafte surveillance der auftretenden Masernfälle begründet. Dieses Problem wird durch die Masernimpfpflicht nicht adressiert.
Frage 2
Das Risiko von Nebenwirkungen ist bei der Verwendung von Kombinationsimpfstoffen verglichen mit Masern-Einzelimpfstoffen substantiell erhöht.
Dies gilt auf der einen Seite für die akute Verträglichkeit: Hier treten charakteristische Nebenwirkungen der Mumps- und/oder Röteln-Komponente von teilweise erheblicher Schwere und Beeinträchtigung der Geimpften mit teilweise erheblicher Häufigkeit auf.
Auf der anderen Seite birgt vor allem die medizinisch unnötig frühe Mumpsimpfung für beide Geschlechter relevante epidemiologische Risiken: Durch das Verschieben des typischen Erkrankungsalters kommt es für Jungen zu einem erhöhten Risiko von Krankheitskomplikationen wie z. B. der Hodenentzündung. Für Mädchen entfällt dadurch der schützende Effekt vor Eierstockkrebs, den eine an sich harmlose Mumpserkrankung im Kindesalter mit der Verringerung dieses Risikos vermittelt.
Die Bevölkerungsimmunität im Jugendlichen- und Erwachsenenalter wird bei Frauen und Männern durch die (zu) frühe Mumpsimpfung verschlechtert.