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Angesehene Forscher: Vertrauensverlust in Impfstoffe erfordert bessere Sicherheitsüberwachung nach Zulassung

Walter A. Orenstein und Stanley A. Plotkin sind renommierte Impfstoff-Forscher und unter anderem Autoren von „Plotkin’s Vaccines“, einem weltweit bedeutendem Nachschlagewerk der Vakzinologie. Im Juli 2024 haben die beiden Wissenschaftler zusammen mit Kollegen einen Meinungsbeitrag im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht (Salmon et al., 2024). Sie regen ein Umdenken zur Überwachung von Impfstoffen nach Markteinführung an und zeigen das mangelnde Verständnis der biologischen Mechanismen von Impfnebenwirkungen auf.

Das sinkende Vertrauen in Impfungen ist ein medial immer wieder aufgegriffenes Thema. Ein wesentlicher Grund für niedrigere Impfquoten ist die beschleunigte Zulassung von Impfstoffen und die unzureichende Überwachung während und nach der COVID-19-Pandemie. Salmon et al. (2024) thematisieren dieses Problem und greifen das Bedürfnis der Öffentlichkeit auf, seltene unerwünschte Impfnebenwirkungen – „die nicht mehr selten zu sein scheinen, wenn Impfstoffe an Millionen oder Milliarden von Menschen verabreicht werden“ – durch Gesundheitsbehörden einzudämmen.
 

Fehlendes Verständnis für das Auftreten von Impfnebenwirkungen

Da klinische Studien vor der Zulassung nur begrenzte Stichprobengrößen, relativ kurze Nachbeobachtungszeiten und eine heterogene Population aufweisen, seien nach der Zulassung weitere Studien notwendig, die möglicherweise kausale Zusammenhänge feststellen und die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen herausfinden können. Dass Wissenschaft meist langsam sei und die biologischen Mechanismen nur unzureichend verstanden würden, übe sich negativ auf die Akzeptanz von Impfstoffen aus, so die Forscher. Eine Tabelle der Autoren zeigt einige solcher Beispiele von Impfnebenwirkungen auf.

Jahr der IdentifizierungImpfstoffUnerwünschte Reaktion auf den ImpfstoffVerständnis des biologischen Mechanismus
1969Schluckimpfung gegen PolioImpfstoff-assoziierte paralytische PolioVerstanden
1976Impfstoff gegen die SchweinegrippeGuillain-Barré-SyndromNicht verstanden
1998RotaShieldIntussuszeptionNicht verstanden
2000Inaktivierter intranasaler GrippeimpfstoffBellsche LähmungHypothese, aber ungewiss
2009Pandemischer GrippeimpfstoffNarkolepsieNicht verstanden
2021mRNA-Impfstoff Covid-19Myo-/PerikarditisNicht verstanden
2021AZ-J&J Covid-19-ImpfstoffThrombose mit Thrombozytopenie-SyndromHypothese, aber ungewiss
2021AZ-J&J Covid-19-ImpfstoffGuillain-Barré-SyndromNicht verstanden
2024GSK-Pfizer RSV-ImpfstoffGuillain-Barré-SyndromNicht verstanden

Tabelle: Verständnis der biologischen Mechanismen der unerwünschten Wirkungen von Impfstoffen (Salmon et al., 2024, eigene Übersetzung und Darstellung).

Dass die bestehenden Überwachungssysteme engen Begrenzungen unterliegen, ist weithin bekannt. Die Autoren sprechen bezüglich des von den CDC und der FDA verwalteten amerikanischen Spontanmeldesystems VAERS von eindeutigen Limitationen bei einer Signalerkennung hinsichtlich Impfnebenwirkungen. Nur wenige VAERS-Berichte würden die spezifischen Labor- oder klinischen Befunde enthalten, die zur Feststellung der Kausalität erforderlich sind. Auch würde bisher kein weiteres Budget zur Verfügung stehen, um die aktive Überwachung zu verbessern.
 

Eingeständnis statt Neuigkeiten

Für die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) ist der Meinungsbeitrag der renommierten Autoren weniger als Neuigkeit und mehr als Eingeständnis zu verstehen. Seit Jahren und Jahrzehnten werden Impfstoffe als „die am besten untersuchtesten Medikamente“ kanonisiert. Dabei sind Wissenslücken der Vakzinologie offensichtlich – so weisen Autoren von Impfstoffstudien häufig Interessenskonflikte auf und bei behördlichen Meldesystemen wird von einer hohen Untererfassung ausgegangen.

VAERS ähnelt strukturell dem deutschen, vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verwalteten und ebenfalls passiven Meldesystem für Impfnebenwirkungen. Aufgrund der Freiwilligkeit der Meldungen geht das PEI selbst von einer hohen Untererfassung von 94 % aus, hat jedoch nie Bemühungen erkennen lassen, die Überwachung der Impfstoffsicherheit zu verbessern.

In Deutschland werden durch Behörden noch wesentlich weniger Studien zur Impfstoffsicherheit veranlasst als in den USA. So müssen Institutionen, welche die Sicherheit von Impfstoffen hierzulande beurteilen wollen, meist auf Daten aus dem Ausland zurückgreifen. Die neue Schnellzulassung (Fast-Track) von Impfstoffen durch die Arzneimittelbehörden, die mit der COVID-19-Pandemie erstmals eingeführt wurde und zementiert werden soll, lässt fachkundige Personen und Organisationen fassungslos zurück.

Bleibt zu hoffen, dass künftig mehr Forscher auf diese Missstände aufmerksam machen – nicht nur, um der „Impfmüdigkeit“ vorzubeugen, sondern um ernsthaft zur Aufklärung über Nutzen und Risiken von Impfstoffen beizutragen.

Weitere Informationen:

Salmon et al., 2024

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