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Alle Jahre wieder: Das RKI erweitert die Anzahl der FSME-Risikogebiete – auf wackeliger Grundlage

Die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. (ÄFI) haben ihren Fachbeitrag zu FSME ergänzt. Die Schwerpunkte dieser Aktualisierung: die Erweiterung der Risikogebiete durch das Robert Koch-Institut (RKI) sowie die Daten aus den Zulassungsstudien zur FSME-Impfung. Beides lässt zu wünschen übrig.

Man kann die Uhr danach stellen: Jedes Jahr im Februar veröffentlicht das Robert Koch-Institut ein Epidemiologisches Bulletin, in dem die Anzahl der Risikogebiete zur Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ausgeweitet wird. Nun sind drei neue Risikogebiete hinzugekommen, wodurch die absolute Anzahl auf 183 (von insgesamt 294 Landkreisen) steigt.

Der erste Blick in die Statistik zeigt tatsächlich eine (unregelmäßig) wachsende Anzahl an jährlichen FSME-Fällen. Dies könnte unter anderem mit der immer mal wieder vom Robert Koch-Institut geänderten Falldefinition zusammenhängen – so wird seit 2007 auch der Nachweis eines simultanen IgM- und IgG-Nachweises im Liquor sowie im Serum als Laborbestätigung anerkannt, 2016 sind zwei neue labordiagnostische Methoden als Nachweis anerkannt worden (Antigennachweis mittels ELISA oder Schnelltest sowie Elektronenmikroskopie).

Abbildung 4: Jährliche FSME-Fälle in Deutschland von 2001 bis 2024 sowie der Trendverlauf (Quelle: RKI).

Doch wie groß ist das Risiko für eine FSME-Erkrankung in Deutschland tatsächlich? Und wie wird eigentlich ein Risikogebiet laut RKI definiert?
 

Das Erkrankungsrisiko durch FSME

Etwa 1-3 % der Zecken sind in endemischen Gebieten infiziert. Außerdem ist laut Literatur eine Häufigkeit von asymptomatischen Fällen zwischen 70 und 95 % nach Infektion zu berücksichtigen. Selbst wenn die vom RKI angenommene, niedrigere Häufigkeit von 67 % asymptomatischen Fällen zur Risikobestimmung genutzt wird, ergibt sich in Deutschland etwa alle 100 bis 300 Zeckenstiche eine Erkrankung. Für das Jahr 2022 hätten demnach mindestens 30.000 bis 90.000 Zeckenstiche in Risikogebieten stattfinden müssen, um die 300 an das RKI übermittelten Erkrankungen mit neurologischen Manifestationen (Meningitis, Enzephalitis, Myelitis) zu verursachen.

Die validesten Daten zur Infektionssterblichkeit legen nahe, dass jeder 500ste bestätigte Fall nach einer Infektion mit dem europäischen Typ verstirbt (IFR 0,2 %). Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Todesfälle in Deutschland Ausnahmeerscheinungen sind.
 

Zur Definition der Risikogebiete

Das Robert Koch-Institut gibt folgende Definition an: „Ein Kreis wird als FSME-Risikogebiet definiert, wenn die Anzahl der übermittelten FSME-Erkrankungen in mindestens einem der 18 Fünfjahreszeiträume im Zeitraum 2002-2023 im Kreis ODER in der Kreisregion (bestehend aus dem betreffenden Kreis plus allen angrenzenden Kreisen) signifikant (p < 0,05) höher liegt als die bei einer Inzidenz von 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner erwartete Fallzahl.“

Somit werden selbst heute noch in Deutschland Gebiete mit einem hohen Risiko eingestuft, in denen einzig Fälle vor knapp 20 Jahren aufgetreten sind. Anders dagegen die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO): „In Gebieten, in denen die Krankheit stark endemisch ist (d. h. in denen die durchschnittliche Inzidenz klinischer Erkrankungen vor der Impfung ≥ 5 Fälle/100 000 Einwohner pro Jahr beträgt), was bedeutet, dass ein hohes individuelles Infektionsrisiko besteht, empfiehlt die WHO, die Impfung allen Altersgruppen, einschließlich Kindern, anzubieten“ (Übersetzung des Verfassers).

Bedeutet: Nach Definition der WHO gibt es wesentlich weniger Risikogebiete – nur 59 anstatt 183 laut RKI. Ebenso stellt sich die Frage, inwiefern die Definition des RKI die tatsächliche Lebensrealität der Menschen abbildet. Kinder und Jugendliche sind in den Risikogebieten des RKI so gut wie nicht betroffen: In nur 23,5 % (unter einem Viertel) der Risikogebiete konnten bei dieser Altersgruppe FSME-Fälle diagnostiziert werden (n=43). In den meisten davon (76,7 %) trat nur ein einziger Fall auf (n=33) und es waren nie mehr als vier Fälle pro Risikogebiet pro Jahr.
 

Fehlender Nachweis der klinischen Wirksamkeit der FSME-Impfung

Es bleibt die Frage, ob trotz des seltenen Auftretens von schweren Erkrankungen und Todesfällen und der zweifelhaften Definition von Risikofällen ein erkennbarer Nutzen aus den Impfstoffen hervorgeht.

Die Zulassungsstudien haben keinen klinischen Nachweis erbracht. Es wurden bei den zur Verfügung stehenden Impfstoffen (FSME-IMMUN® und Encepur® jeweils für Kinder und Erwachsene) lediglich Antikörperspiegel gemessen. Auch wenn diese im Vergleich zu anderen Impfstoffen höher ausfallen und länger anhalten, kann dies nicht den Nachweis der Verringerung der Erkrankungs- und Todesfälle durch hochwertige randomisierte-kontrollierte Studien (RCTs) ersetzen.

Der Fachbeitrag von ÄFI zeigt klar auf, wie dünn die Studienlage zur FSME-Impfung tatsächlich ist: Es fehlen nicht nur Interventionsstudien, selbst Beobachtungsstudien sind eine Seltenheit. Ganz zu schweigen davon, dass diese eine robuste Methodik aufweisen sollten.

Die ohnehin seit Jahren geringe Impfquote zeigt einmal mehr auf: Eine Aufklärung über non-pharmakologische Maßnahmen (Repellents, Kleidung etc.) sowie eine Nutzen-Risiko-Abwägung im Zuge einer individuellen Impfberatung sind die bessere Wahl als eine wenig evidenzbasierte flächendeckende Impfung in Risikogebieten, denen eine mangelhafte Definition zugrunde liegt.

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