Am 3. Juli 2025 hat NIUS zwei Artikel (hier und hier) mit nach eigenen Angaben bislang geheimen Krisenstabs-Protokollen des PEI veröffentlicht. Diese sind teilweise geschwärzt und wurden dem Medium aufgrund einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und mithilfe eines Anwalts zugänglich gemacht. Das PEI seinerseits hat den NIUS-Berichten bislang öffentlich nicht widersprochen.
Insgesamt handelt es sich um sechs Protokolle von Online-Sitzungen aus dem Zeitraum 19.08.2020 bis 18.02.2022. Die ersten drei Protokolle betreffen die 4. bis 6. „Sitzung Externer Krisenstab“, die Protokolle vier und fünf Sondersitzungen „Erweiterter Externer Krisenstab“. Das sechste Protokoll berichtet von einem PEI-internen Beratungstermin.
Bis auf den damaligen Behördenchef Klaus Cichutek und seinen Vize (und heutigen PEI-Präsidenten) Stefan Vieths ist nicht ersichtlich, wer an den Sitzungen teilgenommen hat.
Allein die Nummerierung der vorliegenden Protokolle weist darauf hin, dass es noch weitere, bislang unveröffentlichte Krisenstabs-Protokolle des PEI geben muss. Wahrscheinlich sogar eine größere Anzahl, wenn man sich die Bedeutung der Impfung und Impfstoff-Bereitstellung während der Corona-Krise und die Rolle des PEI als für die Sicherheit der Impfstoffe verantwortlicher Aufsichtsbehörde vor Augen führt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Schwärzungen in den veröffentlichten Dokumenten ist die Analyse als vorläufig und unter Vorbehalt zu betrachten.
Bei dem Meeting vom 18.02.2022 ging es um „eine aktuelle Diskussion im CHMP zur Erweiterung der Booster-Indikation der mRNA-Impfstoffe auf Jugendliche ab 12 Jahren, ohne dass für diese Gruppe eigene Daten eingereicht werden“, wie es in der Einladungsmail heißt. CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) ist der beratende Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Zuvor hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) am 20. Januar die Boosterimpfung mit dem modRNA-Impfstoff Comirnaty für Jugendliche ab 12 Jahren, gestützt auf internationale Studiendaten insbesondere aus Israel, empfohlen. Die EMA folgte und empfahl der EU-Kommission am 24. Februar 2022 die Zulassung.
Geklärt werden sollte nun die Frage, wie sich das PEI mit Blick auf die STIKO-Empfehlung positioniert. Das Protokoll verzeichnet eine Vorbemerkung von Präsident Cichutek, wonach „die Sitzung einberufen wurde, um einen Konsens“ in der Frage herzustellen.
Grundlage für eine gewissenhafte Entscheidung pro oder contra hätten jedenfalls klinische Daten für die Zielgruppe der 12- bis 17-Jährigen sein müssen. Solche Daten lagen dem PEI offenbar nicht vor: „Die zu besprechende Kernfrage ist, wie [das] PEI sich zu einer Indikationserweiterung ohne Einreichung von Daten aus klinischen Prüfungen positioniert.“
So fasste man den Entschluss, die von der STIKO empfohlene dritte Impfung auf Basis einer Extrapolation, also einer Schätzung mittels anderer Daten (z. B. zu einer anderen Altersgruppe), zu befürworten. Hierfür sollten Post-Marketing-Daten zur dritten Dosis bei jungen Erwachsenen der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen verwendet werden, außerdem Daten aus den Zulassungsstudien des Herstellers Pfizer/Biontech zur Grundimmunisierung.
Auf diesem Weg wollte das PEI die Immunogenität (Immunantwort) und die Sicherheit einer dritten Impfung mit einem modRNA-Impfstoff für die jüngere Impfgruppe abschätzen.
Aber ließen sich die Erfahrungen mit jungen Erwachsenen überhaupt auf Jugendliche übertragen? Die Emergency Task Force (ETF) der EMA hatte Anfang Februar dieses Verfahren als „grundsätzlich akzeptabel“ eingestuft. Nun jedoch vermerkt das PEI-Protokoll erhebliche Bedenken des Berichterstatters:

(Protokoll v. 18.02.2022, S. 3, Quelle: NIUS)
Bewusst war dem PEI das Risiko von Herzerkrankungen nach Impfung. So heißt es unter anderem in der Diskussion: „Sehr seltene Nebenwirkungen (wie Myokarditis) können in klinischen Prüfungen nicht erkannt werden.“ Und: „Muss das niedrigere Risiko einer Covid-19-Erkrankung bei Jugendlichen mit betrachtet werden?“ „Daten aus dem PEI-Sicherheitsbericht legen nahe, dass bei der Booster-Dosis für junge Erwachsene weniger Nebenwirkungen gemeldet wurden.“
Schließlich stimmte man dem Verfahren zu: „Es gibt keine grundlegenden Einwände gegen die Strategie einer Indikationserweiterung aufgrund von Extrapolation“. Somit sprach sich das PEI ohne ausreichende Daten aus klinischen Studien für eine Zulassungserweiterung aus.
In seiner unkritischen Haltung wurde die Aufsichtsbehörde nur noch von der STIKO übertroffen: Mit ihrer Empfehlung für die Boosterimpfung für junge Menschen ab 12 Jahren vom 20. Januar 2022 wich die STIKO – wie sie selbst einräumte – von der Corona-Impfverordnung ab, nach der COVID-19-Impfstoffe nur im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung (wie bei anderen Impfstoffen auch) verabreicht werden sollten. Eine Abweichung sei zwar möglich gewesen, wenn sie "nach dem Stand der Wissenschaft medizinisch vertretbar" gewesen wäre – da Kinder und Jugendliche jedoch nie einen relevanten Nutzen von der Impfung erwarten konnten, ist die Rechtfertigung dieses Vorgehens hinfällig.
Die Begründung der PEI-Haltung ist in der von NIUS bereitgestellten PDF-Datei mit der Anmerkung versehen: „Kommentiert [geschwärzt]: Wortlaut aus E-Mail von Prof. Cichutek vom 18.02.2022.“ Spricht dies dafür, dass der PEI-Präsident das letzte Wort in dieser Frage hatte und es sich damit letztlich um eine politische motivierte Entscheidung handelte, wie NIUS meint?
Hilfreich zur Aufklärung wäre eine Entschwärzung der Protokolle, vor allem auch zur Entschlüsselung der weiteren Begründung. Hier tun sich die nächsten Ungereimtheiten auf. So vermerkt der zweite Punkt der Diskussionszusammenfassung:

(Protokoll v. 18.02.2022, S. 4, Hervorhebung im Original, Quelle: NIUS)
Im nächsten Absatz heißt es jedoch:

(Protokoll v. 18.02.2022, S. 4, Hervorhebung im Original, Quelle: NIUS)
Werden hier die beiden zur Diskussion stehenden Impfstoffe Comirnaty und Spikevax gesondert eingeschätzt hinsichtlich ihrer Wirkung und möglicher Risiken? Welcher Eintrag bezieht sich dann auf welchen Impfstoff? Verbergen sich hinter den Schwärzungen auch Angaben zur Dosierung der Boosterimpfungen für die junge Zielgruppe?
Abschließend vermerkt das Protokoll:

(Protokoll v. 18.02.2022, S. 4, Hervorhebung im Original, Quelle: NIUS)
Für die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V. erklärt der Vorstandssprecher Dr. med. Alexander Konietzky:
„Diese wenigen Dokumente des PEI zeigen: Wie beim RKI wurde auch hier mit verdeckten Karten gespielt bei Fragen, die von höchster Bedeutung für die öffentliche Gesundheit waren und weiterhin sind.
Am Beispiel der Kinder und Jugendlichen zeigt sich erneut, wie der Gedanke der Solidarität missbraucht wurde: Gesundheitlich nicht ernsthaft gefährdet, wurden sie genötigt, sich für andere Menschen ungetesteten Injektionen zu unterziehen – ein solidaritätsfernes Vorgehen, das den Kinderschutz mit Füßen getreten hat.
Sämtliche PEI-Protokolle im Zusammenhang mit den Corona-Impfstoffen sind der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sämtliche Schwärzungen in den Dokumenten sind zu beseitigen. Wie bei den RKI-Files wäre auch dies nur ein allererster Schritt für eine Aufarbeitung der Corona-Krise, die diesen Namen verdient.“
Quellen und weitere Informationen finden sich auf der ÄFI-Webseite.
Link: https://individuelle-impfentscheidung.de/aktuelles/detail/pei-befuerwortete-modrna-booster-impfung-fuer-jugendliche-ohne-spezifische-daten.html